[ TEST ] SEA OF SOLITUDE -Konfrontation der Gefühle

Sea of Solitude wirft uns in das Wechselbad der Gefühlswelten des jungen Mädchens Kay. Das Berliner Studio Jo-Mei Games veröffentlichen ihr erstes Spiel unter dem vielversprechenden Siegel der EA-Originals. Ob das psychologische Abenteuer einen Blick wert ist, erfahrt ihr im Test.

Ersteindruck
Ein phantasievolles Abenteuer

Mit Sea of Solitude veröffentlicht Branchen-Schwergewicht EA ein weiteres Mal ein eher kleines Indie-Spiel unter seinem Siegel „EA-Originals“. Wer jetzt skeptisch dreinblickt, weil er meint, dass Electronic Arts doch nichts von Singleplayer-Spielen verstehe und kein Händchen für gute Spieleunterhaltung habe, den belehrt das Kalifornische Studio eines Besseren. Seit nun schon ein paar Jahren fördert EA eine Handvoll kleiner unabhängiger Studios und published deren Spiele unter dem Siegel „EA-Originals“. Herausgekommen sind dabei bisher immer mutige und phantasievolle Abenteuer wie das abstrakt-psychedelisch anmutende Fe, das wollknäuel-Abenteuer Unravel oder der Koop-Actiontrip A Way Out.

Sea of Solitude reiht sich nahtlos zwischen diesen Titeln ein und steht doch auf ganz eigenen Beinen. Aber wohin verschlägt uns die Reise diesmal?


Gameplay
Ein Wechselbad der Gefühle

Diesmal schlüpfen wir in die Haut der jungen Kay. Ein normales zwölfjähriges Mädchen scheint sie aber nicht zu sein. Das verrät allein schon ihr äußeres Erscheinungsbild. Ganz in Schwarz getaucht sitzt sie da in ihrem hölzernen Boot und treibt durch eine Welt, die mit ihren weichen pastellfarben im krassen Kontrast zu ihr selbst steht. Ihre Augen funkeln uns in einem flammenden Rot an, das uns Wut, Verzweiflung aber auch Tatendrang signalisiert. Genau deshalb scheint sie sich überhaupt zu dieser Reise aufgemacht haben, denken wir uns. Die namenlose Stadt, durch die wir da rudern, wurde längst vom Meer verschluckt und mutet nun wie ein verwaistes Venedig an.

Doch die friedliche Stimmung ist trügerisch. Bald schon, nach unserem Eintreffen, wird die ganze Stadt in ein erdrückendes Schwarz gehüllt. Im Wasser lauern Kreaturen, die wie gierige Raubtiere nur darauf warten uns zwischen die Kiefer zu bekommen. So befremdlich wie diese düsteren Feinde auch anmuten mögen, besitzen sie auch immerzu menschliche Züge. Sind sie etwa die fleischgewordenen Ängste, die Kay so zu quälen scheinen? Sind sie ein Abbild unserer selbst oder der Menschen, die uns geprägt haben?

Genauso wechselhaft und wankelmütig wie Kay selbst, wechselt auch unsere Spieleumgebung immerzu wieder und wieder von Licht ins Dunkel. In der einen Situation durchschwimmen wir einen Abschnitt und durchsuchen die Häuserschluchten nach Flaschenpost oder den Möwen ab, den Sammelgegenständen in Sea of Solitude, nur um wenig später den selben Ort in tiefes Schwarz getaucht vorzufinden. Es regnet, die Wellen wiegen aufgeregt im Sturm und das Wasser ist nun Heimat gefährlicher Kreaturen.

Auf den ersten Blick wirkt die Spielwelt recht weiträumig, doch bei näherer Betrachtung stellt sich Sea of Solitude als lineares Abenteuer heraus, das ohne große Umschweife seine Story erzählt. Doch das Gameplay präsentiert sich erfreulicherweise komplexer und mündet nicht nur im bloßen Verfolgen der Story. Wenn wir über Häuserdächer hinwegspringen, Wasser durchschwimmen und Mechanismen betätigen, dann erinnert uns das stark an ein Jump n´ Run. Und wenn wir in den düsteren Passagen vor gefräßigen Fischen fliehen müssen, uns ungesehen an Gegner vorbeischleichen und bedrohliche Kreaturen mit Licht bekämpfen, dann schimmert da schon fast der Charakter eines Horrorspiels hindurch. Der Spielablauf ist dabei über weite Strecken recht simpel aufgebaut. Gelegenheitsspieler finden in Sea of Solitude ein kurzweiliges Abenteuer. Wobei erwähnt sein muss, dass die darin thematisierten Inhalte sehr psychologisch sind und diese weit weniger kurzweilig erscheinen wie das Gameplay. Vielmehr bleiben die Gedanken, die uns das Abenteuer mitgeben will, auch nach dem Ausschalten der Konsole noch im Kopf haften und regen zum Nachdenken an.


Grafik & Sound
Visualisierte Gefühlswelten

Sea of Solitude setzt auf die viel genutzte Unity-Engine und spielt mit einer Vielzahl an unterschiedlichen Farben. Mal sind die Level in weiche Pastellfarben getaucht und muten sicher und friedlich an, nur um uns wenig später in eine schwarz und grau gehüllte Welt zu schleudern, die kalt und bedrohlich und wenig einladend erscheint. Die Entwickler nutzen die Grafik als verlängerten Arm, der die wechselhaften Gefühle Kays immer wieder versinnbildlicht und uns direkt erlebbar macht. Besonders toll gelungen sind dabei die Charaktergestaltungen und einige Effekte, wie der ungestüme Wellengang in stürmischen Zeiten. Einige Animationen wirken hingegen etwas hölzern und hätten ein wenig mehr Feinschliff vertragen können.

Bei der Lokalisierung ist es überaus schade, dass sich die Entwickler entschieden haben, das Abenteuer ausschließlich in englischer Sprache zu vertonen. Gerade, weil Jo-Mei Games ein Berliner Studio sind, wäre es eigentlich selbstverständlich, das eigene Spiel auch in der Muttersprache anzubieten.

 


Umfang
Ein kurzes Abenteuer, das lange nachhallt

Wie bereits anfangs erwähnt, handelt es sich bei Sea of Solitude um ein Spiel aus der Familie der EA-Originals. All jene Spiele zeichnen sich nicht nur durch jede Menge Ideenreichtum aus, sondern haben auch den eher kurzen Umfang gemeinsam. Aber mal ganz ehrlich, in Zeiten, in denen wir in großen AAA-Produktionen dutzende Stunden über eine Open-World nach der anderen gejagt werden, sind solch kleinen Abenteuer eine willkommene Abwechslung. Für einen Spieldurchgang durch Sea of Solitude werden wir etwa drei Stunden benötigen.


Fazit
Facettenreiches Kleinod

4 von 5 Sterne empfehlenswert blauDie emotionale Zerrissenheit des Menschen ist in den letzten Jahren ein mehr und mehr beachtetes Thema in der Videospielwelt geworden. Titel wie What Remains of Edith Finch, Hellblade: Senuas Sacrifice oder Transference haben gezeigt, wie erzählerisch eindrucksvoll und gleichzeitig sensibel man dieses schwierige Thema anfassen kann und welche einprägsame Kunst dabei herauskommt. Auch Sea of Solitude reiht sich zwischen diesen Titeln ein und lässt uns nachdenklich zurück. Dabei beschränkt es sich nicht nur auf das Erzählen einer Geschichte, sondern bietet für seine kurze Spielzeit auch einiges an Abwechslung beim Gameplay. Die einzige Schwäche ist wohl, dass es keine deutsche Sprachausgabe gibt.


Sea of Solitude erschien weltweit am 5. Juli 2019 digital für PlayStation 4, Xbox One und via Origin für PC zu einem Preis von 19,99€.

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