The Precinct versetzt Spielende als junge Cops ins neon-durchflutete Averno City der 80er-Jahre. Zwischen packenden Verfolgungsjagden und einem prozeduralen Polizeialltag kämpft das Spiel jedoch mit repetitiven Mustern. Es ist ein atmosphärischer Sandbox-Trip für Nostalgiker, der auf der PS5 technisch aber nicht ganz überzeugen kann.
Ersteindruck
Blaulicht über Averno City – Ein neuer Cop in der Stadt
Willkommen in Averno City, Anno 1983. Die Metropole ächzt unter der Last der Kriminalität, und als frischgebackener Officer Nick Cordell tritt man seinen Dienst an.
The Precinct, entwickelt von Fallen Tree Games und veröffentlicht von Kwalee am 13. Mai 2025, verspricht eine Action-Adventure-Sandbox-Erfahrung, die tief in die Rolle eines Gesetzeshüters eintauchen lässt. Die Mission ist es nicht nur, die von Gangs beherrschten Straßen aufzuräumen, sondern auch das düstere Geheimnis um den Mord am eigenen Vater aufzudecken, der ebenfalls im Dienst sein Leben ließ.
Die Prämisse, eine Liebeserklärung an klassische Cop-Filme zu sein und die Detailverliebtheit einer Polizeisimulation mit der Freiheit eines Action-Sandbox-Spektakels zu verbinden, weckt Neugier.
Vergleiche mit frühen Grand Theft Auto-Titeln, nur eben aus der Perspektive des Gesetzes, machen gespannt darauf, ob es gelingen kann, das Aufrechterhalten der Ordnung ebenso fesselnd zu gestalten wie das Brechen derselben. Die Verlockung, in die Rolle eines Cops zu schlüpfen, ist unbestreitbar stark. Doch gerade weil das Spiel oft mit der Freiheit und dem chaotischen Spaß eines GTA assoziiert wird, steht es vor der Herausforderung, die naturgemäß strukturierteren und oft restriktiveren Abläufe der Polizeiarbeit durchweg spannend zu halten. Es zeigt sich: Wenn die prozeduralen Elemente zu reinen Checklisten verkommen, ohne belohnende Tiefe oder sich entwickelnde Herausforderungen zu bieten, könnte das Kernkonzept unter der Last der Erwartungen ins Wanken geraten.
Die ersten Schritte in Averno City fühlen sich wie eine Zeitreise an. Die Entwickler haben die isometrische, schmuddelige 80er-Jahre-Ästhetik mit ihren neonbeleuchteten Gassen, regennassen Straßen und großen, verfallenden Parkanlagen überzeugend eingefangen. Es ist eine Welt, die sofort eine dichte Atmosphäre erzeugt, getaucht in das charakteristische Neon-Noir-Licht jener Ära.
Als Officer Nick Cordell Jr., frisch von der Akademie, wird man nicht nur mit den alltäglichen Verbrechen konfrontiert, sondern auch mit der persönlichen Bürde, den Mord am eigenen Vater aufzuklären. Die Charaktere, denen man begegnet, sind oft liebenswert klischeehaft, und die Dialoge, obwohl manchmal schrill und bissig, tragen zum B-Movie-Charme bei. Die Einführung in die Spielmechaniken erfolgt über Tutorial-Aufträge, die mit den umfangreichen Simulationssystemen vertraut machen.
Die Steuerung über Radialmenüs für Verhaftungen und Anzeigen erfordert anfangs etwas Einarbeitungszeit und kann sich zunächst fummelig anfühlen. Ein intensives Tutorial wirft einen direkt ins kalte Wasser, beginnend mit einem Banküberfall und einer Verfolgungsjagd – ein wahrer Härtetest für den ersten Tag.
Die starke Atmosphäre ist zweifellos eine der größten Stärken des Spiels und erzeugt eine unmittelbare Sogwirkung. Jedoch birgt diese stilistische Ausrichtung auch eine gewisse Fallhöhe: Wenn das Gameplay und die Erzählung dieser atmosphärischen Dichte nicht gerecht werden, könnten die liebevoll inszenierten Klischees eher ermüdend als charmant wirken. Der anfängliche schräge Spaß benötigt ein solides Fundament aus überzeugenden Spielmechaniken und einer, wenn auch genretypischen, fesselnden Geschichte, um nicht als bloße Fassade wahrgenommen zu werden.
Gameplay
Zwischen Streifendienst-Routine und explosiver Action
Der Kern des Spiels bildet der tägliche Dienst auf den Straßen von Averno City. Man beginnt seine Schichten und patrouilliert in zugewiesenen Gebieten – zu Fuß, im Streifenwagen oder sogar im Helikopter. Dabei stößt man auf prozedural generierte Verbrechen, die von Falschparken bis zu Schießereien zwischen Gangs reichen. Die Dynamik, bei der eine einfache Verkehrskontrolle schnell eskalieren kann, sorgt für anfängliche Spannung. Besonders die Verfolgungsjagden stechen positiv hervor. Die Fahrzeugsteuerung fühlt sich angenehm gewichtet und grandios an, was zu spaßig-chaotischen Jagden durch zerstörbare Umgebungen führt. Die Möglichkeit, Unterstützung wie Straßensperren oder Nagelbänder anzufordern, erweitert die taktischen Optionen.
Auch zu Fuß gibt es einiges zu tun. Verdächtige werden verfolgt, niedergerungen und mit Handschellen versehen. Die Kämpfe laufen über eine Twin-Stick-Shooter-Mechanik, bei der auch Deckung genutzt werden kann. Das Waffenfeedback wirkt dabei eher klobig. Das Festnahmeverfahren selbst ist detailliert: Verdächtige identifizieren, durchsuchen, Anklage erheben. Das Fesseln ist als ein simples Button-Mashing-Minispiel umgesetzt. Neben dem Streifendienst gilt es, Gangs und Verschwörungen zu untersuchen. Neue Story-Missionen werden freigeschaltet, indem auf Patrouillen Beweise gesammelt werden. Mit gesammelten Erfahrungspunkten steigt man im Rang auf, was neue Fahrzeuge, Waffen und Vorteile freischaltet. Ein cleveres Ausdauersystem erlaubt es, bei Sprints länger durchzuhalten.
Doch der Polizeialltag hat auch seine Schattenseiten. Die größte Schwäche von The Precinct ist die sich einschleichende Monotonie. Die Spielschleifen werden mit der Zeit eintönig und abgenutzt, wirken gar aggressiv repetitiv. Die Kampagne neigt zum Grind, da sich Verhaftungen meist gleich anfühlen und die Geschichte als oberflächlich und vorhersehbar empfunden wird. Auch die künstliche Intelligenz zeigt Schwächen: Der Partner greift oft nicht hilfreich ein, die Polizei-KI agiert unzuverlässig, und die Gegner-KI ist selten eine echte Herausforderung.
Die wahrgenommene Wiederholung könnte aus einem Ungleichgewicht zwischen den Simulations- und Arcade-Aspekten resultieren.
Das Spiel versucht, Polizeisimulationsdetails mit Action-Sandbox-Spektakel zu verbinden. Während der methodische Verhaftungsprozess anfangs noch reizvoll sein kann, entwickelt er sich für manche zum monotonen Akt. Wenn die prozeduralen Elemente zu einer reinen Pflichtübung ohne spürbare Konsequenzen oder sich entwickelnde Komplexität verkommen und die Action-Elemente nicht durchweg fesseln oder ausgefeilt genug sind, leidet die gesamte Spielschleife.
Die Tatsache, dass das Spiel Sachbeschädigung oder Unfälle während Verfolgungsjagden nicht bestraft, mag den Arcade-Charakter unterstreichen, könnte aber für Spieler, die eine strengere Simulation erwarten, die Glaubwürdigkeit untergraben. Wenn die Simulations-Aspekte sich wie Fleißarbeit anfühlen und die Arcade-Elemente qualitativ schwanken – beispielsweise spaßige Verfolgungsjagden, aber für manche klobige Schießereien – kann keiner der beiden Teile die Erfahrung über die gesamte Dauer von etwa 10 bis 12 Stunden tragen.
Ein weiterer Punkt ist das Versprechen einer lebendigen Stadt. Averno City wird zwar als pulsierende, lebendige Stadt mit einem sich ständig wandelnden kriminellen Untergrund und prozedural generierten Verbrechen beschrieben, doch es deutet sich an, dass die Straßen schnell vertraut wirken und es an Abwechslung und interessanter Szenerie mangelt. Die Stadt wird als sehr klein wahrgenommen, und die Dialoge der Nichtspielercharaktere bestehen eher aus abgedroschenen Zeilen der Popkultur als aus einzigartigen Gesprächsfetzen. Wenn die prozedural generierten Verbrechen ebenfalls in vorhersehbare Muster verfallen, fühlt sich die lebendige Stadt weniger dynamisch und mehr wie eine Kulisse für wiederholte Szenarien an. Diese Diskrepanz zwischen Anspruch und Wirklichkeit untergräbt ein wichtiges Verkaufsargument und verstärkt das allgemeine Gefühl der Monotonie.
Grafik & Sound
Ein Streifzug durch das audiovisuelle Averno City
Optisch setzt The Precinct auf einen charmanten Iso-Look. Fahrzeuge haben einen handgezeichneten Look, und Charaktere sowie Vehikel einen comichaften Stil mit schwarzen Umrissen. Die Umgebungen sind mit Details wie vandalisierten Telefonzellen bis hin zu Schildern schmieriger Stripclubs gespickt. Besonders die Beleuchtung bei Nacht mit Neonreflexionen auf nassen Oberflächen weiß zu gefallen. Auf der PS5 läuft das Spiel jedoch mit einer festen Bildrate von 30 Bildern pro Sekunde, selbst auf der PS5 Pro. Dabei kommt es mitunter zu leichten Einbrüchen oder Rucklern und Pop-Ins. Für ein Top-Down-Spiel mag dies für manche akzeptabel sein, für andere ist es ein klares Manko auf einer aktuellen Konsole. Die Charakteranimationen wirken oft steif; besonders die Laufanimationen erscheinen roboterhaft. Gelegentlich kommt es auch zu seltsamen Ragdoll-Effekten.
Der Soundtrack hingegen ist ein Highlight: Der coole Synthwave-Soundtrack passt perfekt zum Neon-Noir-Flair des Spiels. Soundeffekte und direktionale Audiohinweise unterstützen das Geschehen. Die Qualität der englischen Sprachausgabe schwankt jedoch stark: von passabel bis schlecht, mitunter zweckmäßig, aber oft kitschig oder flach. Einige Dialogzeilen leiden unter hörbarem Knistern oder übersteuerten Audioaufnahmen. Die Dialoge selbst werden als abgedroschen oder platt beschrieben.
Was die PS5-spezifischen Funktionen angeht, so scheint hier Potenzial verschenkt worden zu sein. Die Implementierung des DualSense-Controllers ist minimal: Adaptive Trigger für Schusswaffen werden bestätigt, aber darüber hinausgehende nennenswerte haptische Rückmeldungen oder eine Nutzung des Controller-Lautsprechers sind nicht dokumentiert. Auch spezifische Informationen zur Nutzung von 3D-Audio fehlen gänzlich. Diese Kombination aus technischen Unzulänglichkeiten – die 30fps-Begrenzung, gelegentliche visuelle Probleme, steife Animationen, die sehr begrenzte DualSense-Nutzung und die problematische Sprachausgabe – kann die ansonsten gelobte 80er-Jahre-Atmosphäre und Immersion spürbar schmälern. Obwohl der künstlerische Stil stark ist, könnten diese technischen Aspekte das Spiel weniger Next-Gen anfühlen lassen und für PS5-Spieler eine Enttäuschung darstellen, wodurch das Spiel möglicherweise weniger ausgefeilt wirkt, als seine ästhetischen Ambitionen vermuten lassen.
Fazit
Ist die Polizeimarke in Averno City Gold wert?
The Precinct hinterlässt einen zwiespältigen Eindruck. Auf der Habenseite stehen die unbestreitbar starke 80er-Jahre-Neon-Noir-Atmosphäre, der anfängliche Reiz des dynamischen Sandbox-Verbrechenssystems und die oft unterhaltsamen Verfolgungsjagden, die eine gelungene Hommage an klassische Cop-Filme darstellen. Die Prämisse, als Gesetzeshüter für Ordnung zu sorgen, hat definitiv ihren Reiz.
Demgegenüber stehen jedoch signifikante Schwächen. Die größte Bürde ist die erhebliche Repetitivität in den Spielschleifen und der Missionsstruktur, die den Spielspaß über die rund 10- bis 12-stündige Kampagne merklich trüben kann. Die Geschichte bleibt oberflächlich und bedient sich vieler Klischees, ohne eigene Akzente zu setzen. Das Gunplay wird von einigen als klobig empfunden, KI-Probleme treten auf, und die technische Präsentation auf der PS5 mit ihrer 30fps-Begrenzung und der kaum genutzten DualSense-Funktionen ist für eine aktuelle Konsole enttäuschend.
Für wen ist The Precinct also geeignet?
Am ehesten werden Spieler ihre Freude haben, die eine dichte Atmosphäre und eine Sandbox für emergentes Polizeihandeln höher gewichten als eine tiefgründige Erzählung oder stark variierendes Gameplay. Wer eine Nostalgie für klassische Cop-Serien und frühe Top-Down-GTA-Spiele hegt, könnte trotz der Mängel seinen Spaß finden, besonders wenn man über die Wiederholungen hinwegsehen kann oder die Kernschleife als befriedigend empfindet. Es ist kein Spiel für die breite Masse, sondern eher ein Nischentitel, der bei einer bestimmten Zielgruppe gut ankommen wird, während andere sich schnell langweilen könnten.
Es ist eher eine nette Ablenkung für ein Wochenende als ein herausragender Titel, der lange im Gedächtnis bleibt. Wer mit den richtigen Erwartungen an die Patrouille in Averno City herangeht – nämlich ein atmosphärisches, aber repetitives und technisch nicht perfektes Sandbox-Erlebnis zu erhalten – könnte durchaus einige unterhaltsame Stunden erleben. Ein Muss ist The Precinct auf der PS5 jedoch nicht.
- UNCUT PEGI 18 EDITION. DEUTSCH SPIELBAR.
- Vollgas auf den Straßen Ein Liebesbrief an klassische Polizeifilme. The Precinct kombiniert Polizeisimulationen mit einer extravaganten Action-Sandbox. Patrouilliere auf den Straßen Avernos und achte auf Hilferufe, um Klein- und Großkriminelle aufzuhalten. Wähle deine Taktiken in aufregenden Verfolgungsjagden und Schussgefechten. Nimm Einfluss auf das Machtverhältnis zwischen den Banden in Averno – einer lebendigen Stadt mit prozedural generierten Verbrechen, darunter Parkverstöße, Banküberfälle, Straßenrennen und Drogenhandel.
- Auf heißer Verfolgungsjagd Rase in intensiven Auto- und Helikopterjagden durch die Stadt, verfolge dein Ziel durch sich windende Gassen und walte Gerechtigkeit. Dabei bist du nicht auf dich allein gestellt: die besten Polizeibeamten Avernos samt Ausstattung stehen dir zur Seite. Ein ausgeklügeltes Unterstützungssystem gewährt dir Zugriff auf Streifenwägen, Straßenblockaden, Nagelbänder und mehr.