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VR und AR – zeitweiliger Hype oder unsere Zukunftswelt?

Virtual Reality und Augmentierte Realität liegen total im Trend, besonders in der Gaming-Industrie. Doch wie bedeutend werden diese Technologien in den kommenden Jahren werden? Handelt es sich hierbei nur um einen zeitweiligen Hype und eine aufregende Spielerei, oder wird unsere Welt der Zukunft teilweise tatsächlich im virtuellen Bereich liegen? Die Auswirkungen auf Industrie und Wissenschaft sind mittlerweile bereits erheblich, und auch volkswirtschaftlich zeigen sich deutliche Prognosen.

Die technologische Entwicklung geht in rasender Geschwindigkeit voran, so viel steht bereits fest. Erinnern sich viele Menschen noch an die ersten Ataris und stark verpixelte Computer- und Videospiele wie Pac-Man uns Space Invaders, kann man heute bereits in komplette virtuelle Welten abtauchen. Jeder Besitzer einer VR-Brille kann Meerestiefen und das Weltall erkunden, eine Achterbahnfahrt unternehmen oder eben mal durch die Straßen Tokios spazieren. Virtual Reality bezeichnet eine Technologie, die den Nutzer direkt ins Geschehen befördert. Künstlich generierte Daten arbeiten mit der Brille zusammen, um realistische visuelle Effekte wie auch Soundeffekte zu erzeugen. Die Umgebung ist dabei reaktiv und erlaubt die Interaktion – bewegt ein Spieler beispielsweise den Kopf, ändert sich die Perspektive, sodass diese virtuelle Welt ein 360-Grad-Erlebnis ermöglicht. Neu ist diese Technologie jedoch nicht, die Anfänge machten unter anderem bereits Wii-Fernbedienungen, die die Bewegungen eines Spielers auf dem Bildschirm abbildeten.

Augmentierte Realität ist weniger immersiv, gewinnt im Gaming-Bereich jedoch ebenfalls eine immer wichtigere Bedeutung. Spezielle Geräte sind abgesehen von einem Smartphone oder Tablet dabei nicht nötig, denn hierbei werden virtuelle Elemente in die echte Welt integriert – in der Regel ganz einfach durch Nutzen der Kamera. Spiele wie Pokémon Go oder Minecraft Earth sind bekannte Beispiele für diese Technologie.

Doch geht es hier tatsächlich nur um Freizeitspaß und Gaming? Wohl kaum, betrachtet man die aktuelle Entwicklung des weltweiten Umsatzes aus dem VR-Bereich sowie die Prognosen für die kommenden Jahre: 9,1 Milliarden US-Dollar wurden 2021 umgesetzt, 2025 soll der Umsatz global bereits auf knapp 22,4 Milliarden US-Dollar ansteigen und sich damit innerhalb von vier Jahren mehr als verdoppeln.

Begünstigt wurde diese Entwicklung sicherlich durch die Einschränkungen der vergangenen zwei Jahre, als viele Lebensbereiche in den digitalen und virtuellen Bereich verlagert werden mussten. Das galt für die Unterhaltungs- und Gaming-Branche ebenso wie für das geschäftliche Leben. Viele Spielbanken mussten beispielsweise geschlossen bleiben, umso populärer wurden nun Online-Casinos und Livestreams. Mittels eine VR-Brille können die Spieler virtuell jedes Casino der Welt betreten, an einem Tisch Platz nehmen und beispielsweise die Poker Chips mit Handbewegungen aus der realen Welt platzieren. Auch Immobilienbesichtigungen, die nicht persönlich erfolgen konnten, profitierten von VR: mit einer Brille können Interessenten so durch die nachgebildeten Räume gehen, die Aussicht erleben und die Einrichtung planen – ganz ohne das aktuelle Heim verlassen zu müssen. Wurden die meisten Meetings über Zoom abgehalten, bietet auch hier VR neue Möglichkeiten, die Kollegen an einem virtuellen Konferenztisch zusammenzubringen, ganz gleich auf welchem Kontinent sie sich derzeit befinden.

Besonders in der Industrie und Maschinenfertigung, wie auch in der Medizin spielen virtuelle und augmentierte Realität eine immer wichtigere Rolle. Wenngleich diese Technologien derzeit noch relative teuer in der Anschaffung sind, sparen sie langfristig Zeit und Kosten: Statt umfassende Pläne und Prototypen zu erstellen, werden die zu fertigenden Maschinen beispielsweise virtuell dargestellt und konzipiert. Was früher Monate dauerte, geht damit in wenigen Stunden. Sogar Städtebau und Infrastrukturmaßnahmen können auf diese Weise erheblich erleichtert und beschleunigt werden.

Auch augmentierte Realität spielt für viele Industriezweige mittlerweile eine große Bedeutung: Schneider Electric nutzt beispielsweise den intern entwickelten EcoStruxure Augmented Operation Advisor, eine Anwendung, mit der die Techniker in der Lage sind, digitale Elemente in einem Schaltschrank, einer Maschine oder Anlage darzustellen und so die Betriebseffizienz zu steigern.

Ein weiterer zukunftsträchtiger Anwendungsbereich für AR ist die Bildung. Eine aktuelle Befragung im Auftrag des Digitalverbands Bitkom von über 600 Unternehmen mit mehr als 20 Beschäftigten ergab: 76 Prozent derer, die bereits VR einsetzen, nutzen die Technologie zur Schulung der Beschäftigten, 59 Prozent für Konstruktion und Planung, 50 Prozent zur verbesserten Zusammenarbeit von Teams an verschiedenen Standorten. Ähnliches gilt für AR, wobei diese Technologie zu 57 Prozent zu Schulung- und Weiterbildung, zu 51 Prozent zur Kollaboration und zu 49 Prozent zu Konstruktion und Planung verwendet wird.

Bedeutend ist in diesem Zusammenhang insbesondere der medizinische Bereich: Studenten können virtuell die ersten Operationen ausführen, ohne dass ein echter Patient erforderlich ist. So werden nicht nur Kapazitäten gespart, es kann auch schneller und effizienter ausgebildet werden, wenn Zeiteinteilung und Organisation von Studentenanwesenheit bei medizinischen Eingriffen im OP nicht länger nötig sind. Ähnliches gilt auch für die Pilotenausbildung, wo Flugsimulatoren schon lange ein essenzieller Bestandteil sind, virtuelle Realität dabei jedoch ganz neue Möglichkeiten bietet, die Vorgänge wirklichkeitsgetreu nachzubilden.

Zudem ergeben sich durch VR neue pädagogische Möglichkeiten, die das Lernen nicht nur effektiver, sondern auch spannender und interaktiver machen: Gamification ist hierbei ein populäres Schlagwort – wer spielerisch lernt, ist nicht nur motivierter bei der Sache, sondern erzielt auch bessere Erfolge. Statt Lehrbücher und Modelle zu studieren, können Elektriker beispielsweise bei der Ausbildung mittels einer VR-Brille direkt an einer Maschine oder einer Installation arbeiten, wobei dies gleichzeitig das Verletzungsrisiko reduziert und den Lernvorgang sicherer macht.

Die Möglichkeiten von VR und AR sind damit grenzenlos und in allen wirtschaftlichen Bereichen relevant. Von einem zeitweiligen Hype in der Gaming-Branche kann deshalb absolut nicht die Rede sein. Experten prognostizieren dabei erhebliche Auswirkungen auf die Volkswirtschaft: Das Forschungszentrum der Landesbank Baden-Württemberg untersuchte, wie stark die virtuelle die reale Welt beeinflussen wird, auch in finanzieller Kapazität. Senior Economist Guido Zimmermann resümierte dabei: „Wenn Menschen ihre Zeit vermehrt in synthetischen Welten verbringen und dort digitale Güter konsumieren und produzieren, so hat dies Rückwirkungen auf die Arbeitsmärkte und das reale Bruttoinlandsprodukt“.

Zu erwähnen ist dabei auch der Zusammenhang zwischen virtueller Realität und Kryptowährungen, mit denen hier in der Regel Handel betrieben wird, sowie die zunehmende Bedeutung von Blockchains und NFTs. Facebook benannte sich bekanntlich jüngst in Meta um, und ist dabei nicht das erste Unternehmen, dass seine eigene virtuelle Welt erschafft – wirtschaftliche Giganten wie Disney und Microsoft sind ebenfalls bereits auf den Zug aufgesprungen. Metaversen sind Welten, in der tatsächlich gelebt, und eben auch eingekauft wird. Sie kombinieren VR, AR, soziale Medien und Blockchain-Technologie, um Menschen einen echten Lebensraum fernab der realen Welt zu bieten. Hier kann man ein Auto kaufen, eine Wohnung mieten und diese mit Kunstwerken ausstatten. Uhrenhersteller und Software-Entwickler nutzen bereits Smartwatch-Technologie, um Metawatches herzustellen, die in der digitalen Welt die Zeit anzeigen. Sogar verschiedene Modedesigner entwerfen mittlerweile virtuelle Kollektionen, die in dem Metaverse getragen werden. Gezahlt wird mit Kryptowährungen wie Dectraland, Sandbox und Enjin. Auch NFTs (Non-Fungible Tokes) spielen hinsichtlich Vermögen in den Metaversen eine Rolle: das können Kunstwerke, In-Game-Gegenstände oder andere Objekte sein, die stets Einzelstücke sind und einen bestimmten Wert besitzen. Ganz gleich, wie oft sie digital nachproduziert werden, Blockchain-Technologie garantiert, dass alle Transaktionsdaten gespeichert und kryptografisch signiert werden, sodass sich Besitz und Eigentumsrechte dieser NFTs stets nachweisen und nicht manipulieren lassen.

Wenngleich sich Metaversen noch in den Kinderschuhen befinden, ist auch hierbei nicht anzunehmen, dass es sich um einen temporären Hype handelt, besonders wenn immer mehr Unternehmen Produkte für diese Welt entwickeln und damit tatsächlicher Handel betrieben wird. So futuristisch es klingen mag – viele Menschen verbringen bereits Teiles ihres Lebens und Arbeitens in einer virtuellen Realität, und diese Entwicklung wird sich in den kommenden Jahren beschleunigen und in vielen weiteren Wirtschaftsbereichen verbreiten.

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