Bild: Nacon

Durch diese hohle Gasse musst du fahren – WRC 10 im Test

Anfang September veröffentlichten Nacon und der Entwickler KT Racing die 10. Auflage des offiziellen Videospiels der FIA World Rally Championship. Nachdem der 9. Ableger nur ein PS5-Upgrade erhalten hat, haben wir uns diesmal hinter das Steuer der direkten PlayStation 5 Version gesetzt.

Der Rally-Sport gehört sicherlich mit zu den atemberaubendsten Motorsportarten, die neben der Formel 1 auch über zahlreiche Fans verfügt – Der Rally-Sport ist so groß, dass Spiele dieser Art schon auf der PlayStation 1 ihre Anhänger gefunden hat. Nun, seit 10 Jahren, bringt Nacon die offizielle FIA Rally uns in die heimischen Stuben und auf die Bildschirme. Der Funke ist dabei sicherlich nie so richtig übergesprungen und Rally-Spiele etablierten sich mehr zu einer Nische, die gezielt ihr Anhänger jährlich mit Updates versorgen konnte – Doch mal ganz ehrlich: So richtig das Wasser reichen, konnte Nacon mit der Serie nie seinen Gründungsvätern aus dem britischen Hause, die mit Formel 1 Games Erfolge feiern. Nicht zuletzt der tragische Tod von Colin McRae ließ die virtuelle Rally mehr und mehr bei den Gamern in den Hintergrund rücken. So ist dieses WRC zum 10-jährigen Jubiläum dann auch das vorletzte Spiel aus diesem Haus, denn ab 2023 verfügt Codemasters über die offizielle Lizenz zum Töten… äh, Rally fahren. Eine Chance hat Nacon und KT Racing also noch.

Ersteindruck

Kaum Neuerungen erkennbar

Nach der flotten Installation auf der PlayStation 5 werden mit einem imposanten Intro mitten in das Hauptmenü geworfen. Der Aufbau und auch das Intro erinnern uns stark an WRC 9, denn gravierende Änderungen und Neuerungen sind uns im ersten Moment nicht ins Auge gestochen. Noch wirkt alles ein wenig wie eine technisch aufpolierte Version des Vorgängers, denn bis auf den Menüpunkt Jubiläum ist uns hier nichts Innovatives aufgefallen und selbst das Dankeschön für 10 Jahre WRC zeigt sich nur in fahrbaren Strecken mit einigen bekannten Klassikern.

Gut, was soll man jetzt schon sagen, bis auf Kritikpunkte mit der Lupe einzugehen. Etwas Abwechslung wäre aber angebracht, denn das Menü und dessen Navigation sind weiterhin nicht gerade von Freude gekrönt.

Ein riesiger Übungsplatz

Doch schauen wir uns das Spiel mal selber an, immerhin ist es das offizielle von der FIA genehmigte Rally-Spiel. Autos gibt es reichlich und das sogar über unterschiedliche Klassen hinaus. Der Pluspunkt ist aber, dass wir auch hier sofort mit den Klassikern loslegen können, ohne diese erst freispielen zu müssen – Und sofort haut uns das Spiel eine Vollbremsung rein: Laut dem Launch-Trailer können wir auch den legendären Subaru Impreza fahren, der aber nicht im Spiel enthalten ist. Das Auto des Rally-Weltmeisters von 1995 Colin McRae kostet 4,99 Euro extra und dort entdeckten wir dann noch den EVO V von 1998 des siebenfachen Weltmeister Tommi Mäkinen, welches nochmals 4,99 Euro extra kostet – Alles zum Start und Release des Spiels. Sowas macht man natürlich nicht!

Die Extras gleich zu Release schlagen schon auf das Gemüt

Gameplay

Schwer zu kontrollieren

Wie schon beim WRC 9 PlayStation 5 Upgrade bietet uns auch WRC 10 das haptische Feedback, welches sich gerade mit den Trigger-Tasten bei Gas und Bremse offenbart. Gelenkt wird mit dem linken Stick, der uns viel zu wenig Gefühl vermittelt. Mit einem Lenkrad wie dem Logitech G 923 spielt sich WRC 10 aber deutlich besser, auch wenn einmal mehr hier auf die True-Force-Technologie verzichtet wurde. Richtig Spaß kommt natürlich erst auf, wenn man hier über ein Lenkrad mit extra Handbrems-Einheit verfügt, denn das Drücken einer Taste für das „um-die-Kurve-werfen“ kommt dem eines Controllers gleich. Zum ist das Gefühl, welches uns mit dem DualSense vermittelt wird, nicht gerade als wohlwollend und authentisch zu bezeichnen, damit wir immer Herr über eines der zahlreichen Boliden sind. Gerade wer hier sich den Ur-Quattro eines Walter Röhrl aussucht, wird ihn niemals unbeschädigt ins Ziel bringen.

In der Cockpit-Ansicht geht leider die Übersicht zu sehr verloren.

Natürlich gibt es Unterschiede bei den Fahrzeugen und dessen Fahrverhalten. Anfänger sollten daher einige Kilometer auf dem Übungsgelände verbringen, könnten dabei aber mehr Frust erleben, statt einen ständigen Lernprozess erfolgreich zu verzeichnen. WRC 10 wirkt in allen Bereichen zu sehr an die Grenzen gehend und ist dann wohl im Gameplay eher was für eingefleischte Fans, statt für Wochenend-Piloten gemacht. Wir spüren kaum die Grenzen der Fahrzeuge und können uns nur schwer an die Grenzen herantasten. KT Racing spricht zwar von einem noch besseren und realistischen Fahrverhalten, das uns ein präziseres und intensiveres Fahrgefühl vermittelt, aber dazu müssen wir wohl E-Sportler werden. Auf einigen Strecken wird es deutlich zu eng und der Toyota Yaris wird so breit wie ein LKW, den wir niemals durch diese hohle Gasse manövrieren können. Eine Demo wäre hier angebracht, außer man stellt sich der Herausforderung und lern das Gameplay zu beherrschen. Wer gerne mehr Need For Speed oder die Rally in Gran Turismo bevorzugt, sollte sich zweimal überlegen, in WRC 10 einzusteigen.

An einigen Stellen kann es schon mal eng werden.

Grafik & Sound

Weit weg von Next-Gen

Grafisch macht WRC 10 ein durchaus positiven Eindruck, auch wenn wir von anderen Rennspielen auf der PlayStation 5 bisher besseres gesehen haben. Die Autos wirken allesamt sehr authentisch und wer hier nicht auf der Straße bleib, der findet sein Auto sehr ramponiert vor. Das zeigt sich dann wie eine Cola-Dose, mit der Fußball im Hof gespielt wurde. Auffallend ist, dass hier endlich das HDR-Problem des PS5-Upgrades in WRC 9 beseitigt wurde, denn nun können wir durch die Wälder donnern, ohne unser Licht einschalten zu müssen. Wer hier über einen HDMI 2.1 Fernseher verfügt, kann WRC 10 auch im 120 Hertz-Modus erleben, der aber ein wenig verwaschen wirkt. Da bleiben wir dann doch lieber im 60 Hertz-Modus und erfreuen uns der ländlichen Gegend, auch wenn wir hier nicht zur Kaffeefahrt angetreten sind. Letztendlich kann uns die Grafik eines PlayStation 5 Spiels auf der Next-Gen-Konsole nicht überzeugen, denn es wirkt schon ein wenig altbacken und wir vermissen die technische Frische. Grafisch ist WRC 10 ein Upgrade des PS5-Upgrades von WRC 9, ohne jetzt mit einem Wow-Faktor punkten zu können.

Das kann sich soweit sehen lassen.

Beim Sound darf man gerne zweigeteilt sein, denn je nach Ansicht unseres Rallyewagens, klingt das mal gut und böse brummig oder schwach und lieblos abgedämpft. Der Beifahrer liest fleißig aus dem „Gebetsbuch“, während wir versuchen seinen Anweisungen Folge zu leisten. Das klappt nicht immer, denn die Balance der einzelnen Soundeffekte steht in Abhängigkeit mit einem verwendeten Headset, dass je nach verfügbarer Frequenz uns die Stimme vermitteln kann. Hier mussten wir über einen Equalizer den Sound personalisieren, denn das Spiel ist nicht gerade gut abgemischt worden. KT Racing hat zwar die Boliden zum Vorgänger optisch aufpoliert, den Sound wohl sang- und klanglos übernommen.

Die Zuschauer wirken schon ein wenig wie animierte Schaufensterpuppen

Umfang & Langzeitmotivation

Kilometer an Kilometer

Eins kann gleich vorneweg gesagt werden: An Spielmodi mangelt es in WRC 10 nicht. Hier wird zu jederzeit dem Gamer etwas geboten, von der einfachen Etappe bis hin zum komplexen Karriere-Modus. Hinzukommt die breite Auswahl an Rallyewagen, die erneut eine Herausforderung darstellen.

In WRC 10 werden wir in 12 unterschiedliche Länder im Rally-Kalender geführt, die uns natürlich auch unterschiedliche Straßenbeläge liefern. Ob nun Asphalt, Schotter, Schlamm oder eisig verschneite Straßen – Es ist nie einfach! Obwohl WRC 10 uns hier lizenzierte Boliden liefert, ganz authentisch sind die Strecken natürlich nicht, denn dann müsste KT Racing über 10.000 Kilometer in das Spiel bringen. Das was geboten wird, ist aber ausreichend und lässt uns schweißgebadet die Hände vom Lenkrad ziehen. Leider entspricht der Kalender nicht ganz den tatsächlich gefahrenen ländlichen Regionen, denn weder Schweden, Japan noch Chile oder Wales sind offizielle Austragungsorte der WRC Rally 2021. Es fehlen Belgien und Griechenland. Wenn wir schon ein offizielles Spiel erhalten, dann sollte auch alles passen! So wirkt alles ein wenig wie ein Update zum Vorgänger. Wir haben auch keine Information darüber, ob der Kalender durch die Corona-Pandemie kurzfristig umgewürfelt wurde und fehlende Strecken nachgereicht werden. Das Einzige, was wir gefunden haben, ist ein käuflicher DLC „Deutschland“ für 4,99 Euro im Store.

Der Jubiläums-Modus geht leider einfach unter

Fazit

Ein ungekrönter Rally-Auftritt

Mit WRC 10 liefert uns Nacon und der Entwickler KT Racing ein Rallyspiel, das sich wohl mehr an eingefleischte Fans richtet, statt an die breite Gamerlandschaft. WRC 10 ist mit seiner durchaus realistischen Handhabung der Boliden nur mit viel Übung und einem Lenkrad handelbar. Alle anderen sollten nach dem Etappenende mit einem längeren Aufenthalt in der Werkstatt rechnen. Schade und fast schon tragisch ist die halbherzige Umsetzung der offiziellen Lizenz und die „bösen“ Extra-Autos. Man hätte soviel mehr daraus machen können! Stattdessen erhalten wir den Eindruck, WRC 10 ist nur ein Update zum Vorgänger, statt eine würdige Umsetzung auf den Next-Gen-Konsolen. Wir können daher keine direkte Empfehlung aussprechen. Vielleicht wird es nun wirklich Zeit, dass Codemasters wieder übernimmt, die mit wesentlich mehr Ressourcen uns in die glorreichen Tage eines Colin McRae Rally zurückführen. Danke für 10 Jahre Motorsport, aber wir wollen einfach mehr! Bitte bringt zum Abschluss noch ein überzeugendes WRC 2022, statt eines einfachen WRC 11.

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