Videospiele sind, wenn wir uns auf die ersten Games nach heutigem Verständnis fokussieren, meilenweit davon entfernt „Neuland“ zu sein: Immerhin feiert der Kult-Klassiker „Pong“ dieser Tage seinen 50. und Lara Croft sogar schon ihren 54. Geburtstag (Geburtstag laut Spiele-Kanon 14.2.1968). Erweitert man die Kriterien, kam das erste Game sogar schon 1958 heraus.
Mit einem solchen Alter sind Videospiele längst unverzichtbarer Teil eines soziokulturellen Phänomens geworden, zu dem Filme und Musik ebenso gehören. Weit mehr als nur reine Unterhaltungsmedien, sondern wichtige Eckpfeiler einer modernen Kultur. Nicht wenige Zeitgenossen sind diesbezüglich der Ansicht, früher sei wirklich gar nichts besser gewesen – angefangen bei der Spielegrafik über aus heutiger Sicht mangelhafte CGI in Filmen bis zu fast nicht vorhandenen Möglichkeiten, Musik von jenseits des Mainstreams problemlos zu bekommen.
Doch stimmt das? War früher in Sachen Gaming, Musik, Filme und vor allem deren großen Drumherum tatsächlich alles schlechter? Wir finden: Nein, pauschal lässt sich das nicht sagen. Dafür haben wir eine Menge Pro- und Contra-Beweise zusammengetragen – dafür, was früher besser war und was es heute ist.
Heute besser: Grafische Möglichkeiten
Wohl jeder Gamer dürfte die ersten drei veröffentlichten „Star-Wars“-Teile lieben. Aber mal Hand aufs Herz: wohl sicherlich nicht wegen der atemberaubenden Effekte (ganz gleich, wie großartig diese durch das Remastering wurden). Bei Spielen sieht es ganz ähnlich aus. Als 2001 „Halo“ als Killerapplikation für die erste Xbox veröffentlicht wurde, waren Tester und Spieler voll des Lobes für die bestechende Grafik. Heute würden selbst unterklassige Smartphones etwas um Längen Besseres darstellen können.
Ganz eindeutig: Was computergenerierte Grafiken (und nicht zu vergessen Klänge) anbelangt, so kann die Vergangenheit der Gegenwart einfach nicht das Wasser reichen.
Egal ob es moderne Games sind oder von epischer Computeranimation lebende Filme wie „Avatar“: Ohne zeitgenössische grafische Möglichkeiten wäre diese Kultur schlicht um viele Möglichkeiten ärmer. Der Fairness halber lässt es sich allerdings sicher darüber streiten, ob speziell Filmschaffende es nicht manchmal übertreiben – und CGI-Feuer entzünden, wo die Special-Effects-Abteilung wohl mühelos und günstiger echte Flammen lodern lassen könnte.
Früher besser: Das Erlebnis beim Kaufen und Mieten
Manches zwischen damals und heute lässt sich nur ehrlich vergleichen, wenn man beides persönlich erleben konnte. Insofern können jüngere Menschen kaum nachempfinden, um wie viel ärmer Filme, Musik und Gaming durch einen Teilbereich der Digitalisierung wurden: E-Commerce.
Heute gibt es vielfach schlicht nur noch die Möglichkeit, alles per Download zu beziehen. Komfortabel zweifelsohne, allerdings befreit von jeglicher Magie, die früher mit solchen Kauf- und Mietvorgängen verbunden war. Ganz gleich, ob man früher an einem Freitagabend durch die Regale einer Videothek schlenderte und Filmcover bestaunte, ob man im Musikladen um die Ecke stundenlang CDs testhörte oder ob man im Spieleladen seines Vertrauens mit den Angestellten fachsimpelte:
Das alles war zwar deutlich weniger komfortabel, hatte dafür aber um Längen mehr Charme, als einfach auszusuchen und auf „Download“ zu klicken.
Heute besser: Die Internationalisierung
1999 war „Command and Conquer: Tiberian Sun” das mit Abstand am heißesten ersehnte Game des Jahres. Als das Spiel am 27. August veröffentlicht wurde, gab es in Deutschland kaum ein Spielegeschäft, vor dem sich keine endlosen Schlangen bildeten.
Die Abwesenheit solcher Schlangen und (meist) ausreichende Server-Leistungen für den Ansturm am Release Day sind tatsächlich positiv. Es geht jedoch in diesem Kapitel um etwas anderes: Tiberian Sun war für Deutschland ziemlich heftig geschnitten und umgearbeitet. Das galt für die Zwischensequenzen ebenso wie für die Einheiten – die nur in Deutschland allesamt Cyborgs waren. Bei vielen anderen Spielen war es ähnlich und Film-Fans können diesbezüglich sogar wohl ausschließlich Klagelieder über die „gute“ alte Zeit anstimmen.
Klar, heute gibt es ebenfalls noch länderspezifische Versionen. Im Gegensatz zu früher muss sich jedoch niemand zähneknirschend damit begnügen oder kann nur auf verschlungenen Kanälen agieren. Erneut geht dieses Thema über Videospiele weit hinaus:
Es zieht sich über eine Handvoll Anbieter von Sportwetten, die in Deutschland ganz legal ohne vom Spieler zu zahlende Wettsteuer operieren können. Es geht über Filme, die sich völlig problemlos im Originalton (und ohne vermeintlich jugendschützende Schnitte) beziehen lassen und endet längst noch nicht bei Musikalben, auf denen sich länderspezifische Songs finden. Hier hat die heutige Zeit wirklich einen haushohen Vorteil.
Früher besser: Das Drumherum der Verpackungen
Ohne Download keine Verpackung, das ist der zeitgenössische Normalzustand. Und selbst dort, wo es heute noch physische Medien gibt, so wird die Masse doch nur in simpelsten Hüllen und höchstens mit einem dünnen Booklet verkauft. Erneut hat die Digitalisierung hier einen eigenen Teilbereich der Medienkultur buchstäblich hinweggefegt.
Gerade beim Gaming zeigt sich der Unterschied für alte Hasen ziemlich schmerzhaft. Denn früher war buchstäblich „mehr Lametta“. Das PC-Game „Schleichfahrt“ (1996) etwa kam nicht nur in einer wunderbar dreidimensional aufgemachten Verpackung. Nein, darin steckten ein daumendickes Waffen-Handbuch und eine schön gestaltete Landkarte der Unterwasserwelt des Spieles.
Manche Games waren sogar noch üppiger und enthielten Dinge, die heute für teures Geld als Merchandise verkauft werden. Etwa „Wing Commander“ von 1990, das Baupläne aller Spiele sowie ein „Bordmagazin“ des im Spiel wichtigen Mutterschiffs enthielt.
Zugegeben, die dicken Handbücher waren damals noch nötig, weil man mangels Speicherplatzes nicht alles in In-Game-Menüs unterbringen konnte. Wenn man jedoch damals ein Game erwarb, war wirklich noch etwas dabei außer das reine Spiel – und die Box Art selbst war ebenfalls ein kleines Kunstwerk für sich.
Heute besser: Die Preisgestaltung
Die ganzen Gimmicks in den Spielekartons mögen wunderbar gewesen sein. Allerdings: Sie trieben durch ihre Herstellungskosten natürlich den Preis in die Höhe. Bereits das wurde durch die immer weniger umfangreichen Verpackungen bis zur heutigen Download-Epoche deutlich anders – wer die früheren Preise inflationsbereinigt betrachtet und mit der heutigen Zeit vergleicht, wird das rasch feststellen. Videospielen ist nicht wirklich teurer geworden, obwohl die Games und Konsolen ungleich leistungsfähiger wurden.
Allerdings ist das längst nicht das Ende der Fahnenstange. Wenn früher ein Spiel oder Film oder eine CD in den Handel kamen, dann blieben die Preise über viele Monate auf gleichem – hohem – Niveau. In der heutigen Zeit dagegen, auf Steam und Co., wäre ein solches Konzept für die Anbieter geradezu selbstzerstörerisch.
Den vollen Preis bezahlt man höchstens einige wenige Wochen, dann gibt es meist schon den ersten Sale und die Preise fallen – lange bevor irgendjemand auf die Idee käme, das Spiel als veraltet zu bezeichnen. Den vollen Preis muss heute nur jemand berappen, der wirklich dicht am Release Day spielen will.
Früher besser – und schlechter: Das Thema Updates und Patches
Verpackung öffnen, Diskette oder CD-ROM einlegen, gegebenenfalls einige Minuten lang installieren, dann ging es auch schon los. Ja, so sah die Gaming-Welt noch bis vor zirka 15 Jahren aus. Heute hingegen wird die Dauer bis zum ersten Spielerlebnis von der Qualität der Internetverbindung und der Belastung der Server diktiert. Und manchmal (insbesondere bei den wenigen noch physisch erworbenen Spielen) ist nach dem Downloaden und Installieren noch gleich ein Update fällig, das weitere Zeit verschlingt.
Aus dieser Sicht betrachtet war die damalige Zeit in der Tat besser. Zudem verlangte garantiert kein DVD-Player, VHS-Recorder oder CD-Spieler nach dem Einlegen des Speichermediums erst einmal nach einem Update von Codecs und ähnlichen Informationen.
Das ist jedoch bloß die eine Seite der Medaille. Die andere: Wenn damals der Hersteller seine Hausaufgaben nicht gemacht hatte, dann war das Game verbuggt. Viel Spaß dabei, vor dem breiten Aufkommen des Internets ein Patch zu finden, das das behob. Zurückbringen der Ware ins Geschäft war ebenfalls ausgeschlossen. Die Verpackung war ja bereits geöffnet und wirklich jeder Händler nahm deshalb an, man habe das Game „gerippt“ und wolle nun lediglich sein Geld zurück erschleichen.
Natürlich sind heutige Games komplexer und daher häufiger von Bugs geplagt. Da diese sich jedoch durch die dauerhafte Internetanbindung ungleich leichter fixen lassen, ist die heutige Zeit um Längen besser – und obendrein muss kein Musikfan Fehlpressungen befürchten, bei denen schlimmstenfalls auf der CD eine völlig andere Band zu hören ist.
Zusammengefasst: Früher war nicht alles schlechter – aber auch nicht besser
Es gibt bei Games, Filmen und Musik eine Menge Menschen, die sowohl die heutige als auch die vergangene Zeit deutlich verklärt betrachten – und sich oftmals leidenschaftlich darüber streiten können.
Realistisch betrachtet ist jedoch weder heute noch damals alles besser oder schlechter. Ja, es gab früher Dinge, die durch den Lauf der Zeit leider unwiederbringlich fortgerissen wurden. Ebenso dürfen heutige Gamer, Cineasten und Musikliebhaber (sogar solche, die die damalige Zeit selbst erlebt haben) sich über einige Entwicklungen freuen, die bei ehrlicher Betrachtung früher einfach nur nervtötend waren. Jede Epoche hat Ihr Gutes, man muss es nur anerkennen.