Bild: Astragon

[ TEST ] EVIL WEST – Durstige Blutsauger im Wilden Westen

Die raue Welt von Evil West wird von furchteinflößenden Vampiren heimgesucht, die nach der Macht streben und die Unterdrückung der Menschen im Sinn haben. Zum Glück findet sich in diesem Steampunk-Actiontitel ein Held von Jesse Rentiers Format. Der grummelige Cowboy hat es sich zur Aufgabe gemacht, den Wilden Westen von allem Übel zu befreien.

Ersteindruck
Ein grummeliger Cowboy gegen blutdurstige Monster

Jedes Spiel, das sich mit dem wilden Westen beschäftigt, wird um die klassische Zugentführung nicht herumkommen. In Evil West wird keine unnütze Zeit verschwendet und wie der Zug, der auf den Schienen entlanggeführt wird, werden wir in der ersten Mission an die Hand genommen und mit den grundlegenden Steuerungsfeinheiten vertraut gemacht. Wir schlüpfen in die Haut des grummeligen aber ebenso schlagkräftigen Antihelden Jesse Rentier, der es sich zur Aufgabe gemacht hat, das Böse zu jagen. Das Amerika, das er seine Heimat nennt, hat mit einer üblen Plage von Vampiren und Werwölfen zu kämpfen. Da wir anscheinend der Einzige sind, der weiß, wie man effektiv mit diesen verstörenden Kreaturen umzugehen hat, bleibt uns nichts anderes übrig als unsere Fäuste sprechen zu lassen.

Haben wir die erste Einführungsmission erfolgreich abgeschlossen, können wir entweder den verseuchten Westen alleine oder zusammen mit einem Freund per Online-Coop von seinen Sorgen befreien.


Das Prinzip, nach der wir den Wilden Westen von Blutsaugern befreien, ist denkbar einfach – als Jesse lassen wir unsere Fäuste und unser Waffenarsenal sprechen. In Evil West wird uns ausnahmsweise keine offene Spielwelt geboten, dafür wie nach der alten Schule, ein schlauchartiges Leveldesign vorgesetzt. Natürlich ist dies für uns eine willkommene Abwechslung, in einer Zeit wo Videospiele immer größer und ausladender gestaltet werden, bietet Evil West eine kompakte und auf Action fokussierte Spielweise.

Gameplay
Geradlinige Shooter-Action in einer Wild-West-Steampunk-Welt

Um es simpel zu halten, können wir Evil West in zwei Spielaspekten unterteilen. Zum einen wird uns in regelmäßigen Abständen die Möglichkeit geboten, die Gebiete zu erkunden. Hier können wir oft Geldsäcke oder Informationen zur Geschichte erfahren. Dies sind jedoch oft nur kleine Häppchen und machen erst nach dutzenden Wiederholungen unsere Kassen voll. Gelegentlich treffen wir auch auf Aufgaben, nennen wir sie Rätsel, um diesen Passagen etwas mehr Abwechslung zu verleihen. Diese Rätsel stellen uns jedoch nie auf die Probe und ermöglichen ein ungestörtes Vorankommen. Unsere Erkundungstour wird oft mit Arena-Bereichen unterbrochen. Dort wird der eigentliche Kern von Evil West offenbart.

In diesen mal mehr, mal weniger großen Gebieten, wird uns dann eine Horde von Vampiren und Werwölfen entgegengeworfen. Zur Verteidigung oder besser gesagt zum Angriff steht uns ein immer besser werdendes Waffenarsenal zur Verfügung. Wie im Wilden Western üblich, gibt es unter anderem unseren treuen Revolver oder die schlagkräftige Schrotflinte. Apropos schlagkräftig: Jesse besitzt einen mächtigen rechten Haken, der mit einem elektrisch aufgeladenen Power-Handschuh versehen ist. Dieser teilt nicht nur ordentlich aus, sondern hat auch ein Heilungssystem integriert. Der Nahkampf spielt sowieso eine wesentliche Rolle im Kampf gegen die üblen Blutsauger. Denn auch wenn wir im Laufe unserer Blutfehde mit immer mehr Kriegsgerät ausgestattet werden, existiert für uns keine Munitionsknappheit.

Das heißt allerdings nicht, dass wir uneingeschränkt das Dauerfeuer eröffnen können. Je mächtiger das Schießeisen, desto länger ist die Abklingzeit, bevor wir wieder den Abzug betätigen können.

Zum Beispiel hat der Revolver die geringste Zeit bis zum erneuten Einsatz, die Schrotflinte lässt sich da schon um die zwanzig Sekunden mehr Zeit. Unsere rechte Hand sind nicht unsere einzige Option den Kampf zu bestreiten. Unser Antiheld Jesse möchte die Erfindung der Elektrizität jedenfalls nicht mehr missen. Seine Hand hat eine andere Art Elektro-Handschuh verpasst bekommen. Dieser kann in den ersten Momenten erst einmal nur ein Schutzschild erschaffen, um im richtigen Augenblick gegnerische Angriff abzufangen.

Wenig später können wir uns dann zu den Monstern per Dash heranteleportieren oder sie auch zu uns heranziehen. Unsere Elektro-Kräfte werden durch unsere Batterien gespeist, die wir durch den Nahkampf aufladen. Je mehr Batteriekerne wir für einen Angriff einsetzen, desto mehr Schaden können wir damit natürlich auch austeilen. Die Fähigkeiten können wir je nach Wahl mit dem Fähigkeitsbaum oder den kaufbaren Upgrades verbessern. Deswegen lohnt es sich in den Erkundungstouren jeden noch so kleinen Geldsack aufzuschnappen oder auch die Goldkisten nicht zu ignorieren. Zwischen den kleinen Widersachern, die uns immer wieder im Weg stehen, wollen uns auch zahlreiche Minibosse das Lebenslicht ausblasen. Nach der ersten Begegnung mit einem Miniboss, wird dieser im weiteren Spielverlauf immer häufiger als Standardgegner eingesetzt.

Dadurch werden die Kämpfe besonders zum Ende des Spiels sehr fordernd. Die vier Hauptbosse des Spiels gestalten sich besonders auf den hohen Schwierigkeitsgraden als unverhältnismäßig schwere Herausforderungen. Da kann es schonmal passieren, dass sich der Spielspaß in Frust wandelt. Zum Glück hinterlässt das Kampfsystem bei uns immer ein kleines Suchtgefühl und lässt immer wieder die Frage aufkommen: Wann kommt endlich die nächste Schlacht? Deswegen können wir hier auf jeden Fall sagen, dass die Kämpfe bis zum Ende der Story nicht langweilig werden und gut und intuitiv von der Hand gehen.

Der Koop-Multiplayer
Im Doppelpack den Wilden Westen retten

Das spaßigste Feature an dieser Vampirjagt ist der kooperative Multiplayer. Der ist nach der ersten Tutorialmission verfügbar. Die gesamte Story lässt sich auf diese Weise online mit einem Freund bestreiten. die Schwierigkeit der Gefechte wird dabei angepasst. Der Haken am Multiplayer wäre, dass nur der Host den Spielfortschritt behält und der Gast danach auf seinem eigenen Spielstand leer ausgeht. Allerdings wird der jeweilige Spielfortschritt für den Gast beim Host gespeichert, sodass unter anderem die Fähigkeiten und die Waffenerweiterungen behalten bleiben.

Der einzige Nachteil ist also, wenn der Gast alleine weiterspielen möchte, muss er mit einem eigenen Speicherstand wieder von vorn beginnen. Eine weitere nicht nachvollziehbare Design-Entscheidung wäre dann noch, dass der Gast denselben Hauptcharakter wie der Host spielt. Also laufen wir mit unserem geklonten Zwillingsbruder durch die Level von Evil West. Gerade weil zum Anfang von Evil West mit Edgar Gravenor ein anderer Charakter vorgestellt wird, der sich wunderbar als Koop-Spielfigur eignen würde. Um die gefundenen Dollars und Sammelgegenstände müssen wir uns glücklicherweise nicht streiten, denn egal wer was aufhebt, wird beiden gutgeschrieben. Sollte der Host mit einem Freund eine Spielsitzung eröffnen, mit dem er vorher nicht die Jagd bestritten hat, wird dessen Charakter auf das Level-Niveau des Hosts angepasst.

Grafik und Sound
bleibt hinter seinen Möglichkeiten

Als allererstes fällt natürlich immer die Grafik ins Auge. Vor allem der hohe Kontrast der Lichter und die starke Präsenz von Rot- und Gelbtönen wirken besonders zum Anfang überfordernd und sorgt schonmal dafür, dass uns Details in den Umgebungen gar nicht auffallen. Da wurden unsere Sehnerven schon gleich zu Beginn auf eine harte Probe gestellt, bevor wir überhaupt dem ersten Unhold gegenüberstanden. Die Grafik an sich ist jetzt nichts, was uns begeistert nach Luft schnappen lässt. Dafür hätte es keine PS5 und Xbox Series benötigt, gerade wenn man Grafikreferenz-Spiele wie God of War Ragnarök sein Eigen nennen kann. Alle umliegenden Objekte sind starr mit dem Boden verwurzelt und bilden eine einheitliche Textur. Der beste Aspekt des Grafik-Designs können wir getrost den Gore-Effekten zuschreiben. Die unterschiedlichen Kreaturen lassen sich gezielt um ihr kostbares Fleisch erleichtern und ändern mit wenigen Schüssen das äußere Erscheinungsbild, an deren Ende nur noch ein zerfetzter Leib übrigbleibt. Es ändert zwar nichts an der Kampfkraft unserer Widersacher, jedoch wünschen wir uns, dass dies doch der Standard für zukünftige Spiele sein sollte.

Für unseren Test haben wir Evil West auf der PS5 gespielt. Das Spielgeschehen selbst kann in einem Qualitätsmodus mit 30fps und nativen 4k oder dem Leistungsmodus in 60fps und Full-HD erlebt werden. Da hätten wir etwas mehr Fleiß erwartet und besseren Umgang mit den Ressourcen der neueren Konsolen befürwortet. Full-HD wirkt für ein Spiel Anno 2022 jedenfalls nicht mehr zeitgemäß.

Es gibt nur eine englische Sprachausgabe in Evil West, auf andere Optionen wurde verzichtet. Wenigstens wurde bei der Vertonung gute Arbeit geleistet. Die Zwischensequenzen wurden vorgerendert und greifen nicht flüssig mit dem Spiel zusammen. Oft sehen wir am Ende einen abrupten Schnitt und wir befinden uns in der nächsten Mission wieder. Das wirkt seltsam unprofessionell und reist einem das ein oder andere Mal aus der Immersion der Story heraus. Auch Charaktere, die uns ansprechen, unterscheiden sich nicht von der Lautstärke, egal in welcher Entfernung wir zu ihnen stehen. Bei den Soundeffekten hat man sich nicht lumpen lassen und bietet einen kraftvollen Klang, der aber oft in den hitzigen Gefechten untergehen kann. Im Hintergrund dudelt immer eine leichtverdauliche Melodie, die keinen bleibenden Eindruck hinterlässt.

Fazit
Raue Shooter-Action nach alter Schule, die besonders im Koop ihre größten Stärken ausspielt

Wir können mit Gewissheit sagen, dass Evil West kein Spiel sein wird, das in die Geschichte eingeht und in vielen Punkten der aktuellen Konkurrenz nicht gewachsen ist. Gerade auf der technischen Seite können wir hier von einem Last-Gen Spiel sprechen, dass die Hardware aktueller Maschinen nicht auszureizen weiß.

Die Story ist nicht besonders original und hat uns schon kurz nach Beginn nur mittelprächtig mitreißen können. Präsentiert wird dabei eine klischeebeladene Story aus der Konserve – Wir sind der Einzige in der Spielwelt der die Plage der Vampire und Werwölfe aufhalten kann, der Rest der Menschen ist eigentlich nur seelenloses Beiwerk, dass dazu da ist, um von uns beschützt zu werden.

Evil West glänzt bei seiner knackigen Kampfmechanik, die uns immer auf die nächste Schlacht freuen lässt. Im Laufe der Zeit werden wir natürlich immer kampferprobter und unser Arsenal wächst, damit öffnen sich immer neue Möglichkeiten, um das Gesindel effektiver zu neutralisieren. Den Spaß können wir zusammen mit einem Freund teilen, ohne spielerische Einschränkungen zu erleben, was bis zum Ende der Story nie langweilig wird.

Das schlauchartige Leveldesign ist eine gern gesehene Abwechslung zu den übergroßen Open World Spielen, die uns heutzutage oft genug um die Ohren gehauen werden. Im Endeffekt steht der Spielspaß an erster Stelle und hier brauch sich der vampirische Westen nicht zu verstecken. Die Entwickler von Flying Wild Dog haben sicher kein Meisterwerk auf uns losgelassen, jedoch haben sie mit Evil West einen spaßigen und unkomplizierten Koop-Action-Spaß erschaffen.

Evil West – [PlayStation 5]
  • Inklusive „Wild Wild East“-Paket mit dem „Goldener Verteidiger“-Outfit für Jesse und „Goldene Reliquien“-Waffenskins
  • Kämpfe allein oder mit einem Freund in stilvollen und blutigen
  • Mythen und Legenden neuerzählt in einem stilisierten und schrägen Wildwest-Universum