Bild: Sony PlayStation

[ PS5-TEST ] Fernbus-Simulator: Wir nehmen lieber den Zug!

Im Laufe dieser Woche brachte Publisher Aerosoft sowie die Entwickler TML-Studios und Zero Games Studio den Fernbus-Simulator auf die aktuelle Konsolen-Generation von PlayStation 5 und Xbox Series X/S. Für einen Preis von rund 40 Euro erhalten wir neben der bekannten PC-Version die zugehörigen Map-DLCs für ein umfangreiches Europa-Erlebnis. Doch lassen wir erst einmal den Launch-Trailer auf uns wirken.

Ersteindruck

Endecke Europa!

Wie man unschwer schon am Trailer erkennen kann, erfolgte eine Zusammenarbeit mit dem deutschen Fernbus-Unternehmen Flix SE, auch als Flixbus bekannt. Hier wird zudem die große weite Spielwelt gezeigt, die sich von Deutschland, Österreich bis nach Frankreich erstreckt. Aber auch die Benelux-Staaten, Schweiz und Tschechien können angefahren werden. Das Autobahn- und Landstraßennetz soll an die 50.000 Kilometer bieten, wobei hier über 100 Städte angefahren werden können. Das klingt so weit, alles erst einmal sehr gut und interessant und hat auch uns neugierig gemacht.

Sehr altbacken tritt das Menü in Erscheinung

Wie es sich für ein Spiel gehört, können wir zwischen einer Karriere und einer freien Fahrt wählen, wobei die Karriere wohl auch die Möglichkeiten einer Fahrt quer durch Europa hergibt, nur dass wir uns hier an Routen halten und auch Fahrgäste mitnehmen können. Alles bringt wunderbar Punkte, wobei wir noch nicht wissen, wohin damit. Die Routen in der Karriere müssen wir selber festlegen, nachdem wir uns für einen „Heimathafen“ entschieden haben. Im Grunde ist der Karriere-Modus keiner, weil wir hier keine vorgegebene Aufgaben oder gar Aufträge erfüllen.

Gameplay

Altbacken & hakelig

Da wir uns als Busfahrer im großen deutschen Unternehmen Flixbus einen Namen machen wollen, entschieden wir uns für die Karriere. Wie schon angesprochen, ist die Karriere keine, da wir uns selber Routen gestalten und planen müssen. Zur Auswahl stehen dabei Arcade oder Realismus. Hier wählten wir den Realismus, da es sich immerhin um einen Simulator handeln soll. Das Angebot an verfügbaren Bussen darf gerne als dürftig bis mager bezeichnet werden. Gerade mal Neoplan und einen MAN können wir wählen, da reißen uns die fünf Typen von MAN und verschiedene Lackierungen aber auch nicht vom Hocker. Wir erkennen noch Scania, können jenen aber nicht auswählen und das andere BB-Ding erinnert mehr an eine Stadttour durch Alanya. Obwohl das grüne Unternehmen auch über eine stolze Flotte von EvoBus, also Kässbohrer oder gar Mercedes verfügt, lassen sich diese Marken im Spiel leider nicht finden.

Ein grafisches Highlight sind extrem gute Darstellung der fehlenden Reflexion und Schatten.

Eigentlich wollten wir nun satt durchstarten, müssen uns aber vorab durch ein Menü wühlen, welches uns zwingend eine Tour erstellen lässt. Hier wirkt alles sehr hakelig und in der Handhabung sehr altbacken und unübersichtlich. Mit einem gewissen Zwang haben wir uns dann eine Tour erstellt, die uns nur bedingt in einem Umkreis von unserem „Heimathafen“ agieren lässt. Seien wir mal ehrlich: Die Menüführung wirkt lieblos dahingeklatscht und ist in keinem Fall zeitgemäß oder gar freundlich gestaltet worden. Hier hat man einfach die Mausführung vom PC auf die Konsole portiert, ohne Cursor und alles noch mit einem Input-Lag versehen.

Enttäuschenderweise fehlt dem Spiel ein wenig ein Tutorial, welches uns als Ersteinsteiger in das Business die ersten Schritte erklärt. Ein Bus muss mit dem Zündschlüssel gestartet werden und auch das D im Automatikgetriebe eingelegt werden – Jetzt kann die Fahrt losgehen. Da es sich um einen Simulator handelt, können wir auch das Licht einschalten, Fenster senken, die Scheibenwischer betätigen und alles was das Herz sonst noch so begehrt. Zu guter Letzt nerven uns dann auch noch die Fahrgäste, die gerne das Klo freigeschaltet haben wollen und kostenfrei im Internet über W-LAN surfen wollen. Als wäre das noch nicht genug, ist ihnen die Klimaanlage entweder zu kalt oder zu warm. Hier vermissen eindeutig Tipps seitens des Entwicklers, der uns etwas mehr über die Bedürfnisse unserer Fahrgäste in Kenntnis setzt. Raten ist angesagt, welche Temperatur zwischen 18 Grad und 28 Grad nun die richtig sein soll?

Das Cockpit richtet sich nach dem Hersteller, kann aber so nicht bedient werden.

Das Fahren an sich ist schon sehr einfach und auch über die bekannten Schultertasten der PlayStation 5 mit L2 und R2 samt Stick zu handhaben. Keine Kunst, wären da nicht der Multifunktionhebel ala X, über den wir alles steuern sollen. Ob indessen der Gangwechsel, das Fenster, die Klimaanlage oder was sonst noch so ansteht. Während einer Fahrt mühselig den Retarder über ein komplexes XMB-Menü auswählen zu müssen, wo auch noch irgendwo der Tempomat versteckt ist, zeugt für den Controller-Gamer von Lieblosigkeit. Mit dem Lenkrad sollte die Sache dann einfacher sein, aber es hat halt nicht jeder ein Lenkrad.

Unsere Teilnahme am öffentlichen Straßenverkehr geschieht zum größten Teil über Autobahnen und Bundesstraßen. Hier hat man sich aber wohl an den NPCs aus Autobahnpolizei-Simulator bedient, denen die Verkehrsregeln nicht bekannt sind. Sie überholen schnell mal rechts, parken auf der mittleren Spur oder nehmen uns die Vorfahrt. Bei Geschwindigkeitsbegrenzung schleichen sie wie „Opa mit Hut“ auf der linken Spur, dass ein erzwungenes Überholmanöver bei Tempo 60 sich in die Form von Lächerlichkeit in einer Simulation zieht. Hin und wieder kam der Gedanke auf, dass der Fernbus-Simulator ein Paradebeispiel ist, wie man sich nicht auf einer Autobahn zu benehmen hat. Da darf man nur hoffen, dass Flixbus das Spiel nicht zu Schulungszwecken verwendet.

Grafik, Sound & Technik

Eigentlich eine Frechheit

Nachdem wir uns hakelig durch das Menü gewühlt haben und endlich auf der Straße vor unserem Bus stehen, kommt das erste Erstaunen. Der Bus sieht aus wie ein Karton, ganz ohne hervorzuhebende Details oder erwähnenswerte Konturen. Spiegelungen oder auffallende Schatten, wie wir es aus anderen Simulationen gewohnt sind, gibt es hier nicht. Man darf bei aller Liebe zu einem Spiel nicht vergessen: Wir bewegen uns hier auf der PlayStation 5 und ein Entwickler hat sein Spiel ganz frisch für diese Generation an Konsolen auf den Markt gebracht.

Trotz modernen 4K-Fernseher in 80-Zoll-Format ist das Erkennen der Schriften auf den Schildern nicht möglich.

Sind wir auf der Autobahn angekommen, zeigt sich der Klimawandel wohl von seiner besten Seite. Die Straße ist geprägt von einem Hitzeflimmern, der augenscheinlich alle Autoreifen zum Schmelzen bringt, während am Straßenrand die Dürre ganze Bäume kahl und tot darstellen lässt. Fast schon beängstigend bricht die Framerate in sich zusammen, während am Horizont Objekte aufploppen oder verschwinden, während Lkws und Busse wild durch die Leitplanke fahren und sich damit wohl ins Jenseits portieren. Da sind sie springende Busse unserer Kollegen oder gar fliegende Auto nur ein nettes Feature. Alles halb so wild möge man meinen, aber gekrönt wird die grafische Darstellung von einer derartigen Unschärfe, dass wir nicht nach Schildern fahren können. Das schlimme sind die aufbauenden Texturen, die sich erst im Nahmodus komplett zeigen. Busse, die zu Cabrios werden oder Autos, die wie ein Hovercraft ganz ohne Räder über die Straße schweben.

Hitzeflimmern und eine Landschaft, die uns den Klimawandel zeigt?

Grafisch und auch von Seite des Sounds wirkt der Fernbus-Simulator wie zu Release 2016 auf dem PC. Ein Next-Gen-Update suchten wir vergeblich und lässt uns nicht verspüren ein Simulator auf der PlayStation 5 erleben zu können. Hier wird einem schon beim puren Zuschauen ganz schlecht, weil die Grafik wirklich als unterirdisch bezeichnet werden kann. Da spielt die karge Landschaft um uns dann auch keine Rolle mehr, auch wenn wir mit den bekannten Sehenswürdigkeiten erahnen können, in welcher Stadt wir nun angekommen sind. Alles kann ganz gerne schon als frech bezeichnet werden, dem Gamer sowas zum Neupreis andrehen zu wollen. Es ist alles nur portiert worden, ohne ein zeitgemäßes Update mitzuliefern.

Langzeitmotivation

Träge bis ermüdend

Wie unschwer am Screenshot erkannt werden kann, ist das gebotene Strecknetz sehr breit gestaltet worden. Zahlreiche Städte in Europa können angefahren werden, die letztendlich die Passagiere von A nach B bringen. Das Schema des Spieles liegt im Fahren eines Busses über die Autobahn. In welcher Form hier gar Aufregung, Spannung oder gar ein Spaßfaktor sich entwickelt, liegt im Auge des Betrachters und dem Grundprinzip des Spiels. Anfänglich kann es noch sehr interessant sein, einen Bus mit 100 Stundenkilometern über die Autobahn zu bewegen und sich dabei über die NPCs aufregen zu wollen. Später artet das fast in Stress aus, da selbst unser Blicken für einen Spurwechsel nicht wahrgenommen wird. Manchmal haben wir ein dummes Gefühl, der Entwickler war nie mit Flixbus unterwegs und fährt nur munter mit dem Fahrrad durch die Stadt, geschweige hat er je ein Benz mit 200 Sachen über die Autobahn rauschen sehen. Dabei steht hier doch Simulator auf der Spielverpackung und nicht wie man sich Tempo 100 ohne Klimakleber vorstellt. Irgendwann war dann einfach die Luft raus, weil unser Bus einfach umgekippt wurde…

Beim angezeigten Spurwechsel, wurden wir einfach umgeworfen.

Achja, der Multiplayer scheint sich mit der Deutschen Bahn irgendwo ins Ausland abgesetzt zu haben – Er ist nicht vorhanden.

Fazit

Da ist ja Bahnfahren schöner!

Mit dem Fernbus-Simulator liefert uns Publisher Aerosoft sowie die Entwickler TML-Studios und Zero Games Studio ein Spiel ab, dessen Grundidee gar nicht mal so schlecht ist. Leider muss man sich dann schämen, wie deutsche Unternehmen ihr altes Spiel ganz ohne Update auf die aktuelle Konsolengeneration abliefern. Es wirkt lieblos, technisch veraltet und kann kaum überzeugen, dass selbst das Thema Ladezeiten hier erwähnt werden muss. Die Steuerung ist hakelig, die Landschaft unwürdig deutscher Ingenieurskunst und das Gameplay wohl vom Praktikanten programmiert. Dabei reichen sich die Damen und Herren in der deutschen Gaming-Branche Jahr für Jahr die Hände und beglücken sich selbst, wie toll sie ihren Schrott einmal mehr an die Gamer zum Neupreis verkaufen können. Mit solchen Spielen macht man sich keinen Namen, dabei kann Aerosoft doch deutlich mehr, was sie mit dem Microsoft Flug-Simulator bewiesen haben.

Wenn ihr unbedingt das Werbespiel von Flixbus zocken wollt, dann auf dem PC für wenige Euro. Auf der Konsole empfehlen wir eher die Finger davonzulassen, auch wenn der eine oder andere eventuell Spaß verspüren könnte. Aber jener sollte sich überlegen, warum er sich eine PlayStation 5 gekauft hat.

Seit Anbeginn der Datasette von Computergames begeistert. Spielt alles was sich bewegt und für Atmosphäre sorgt. Nimmt gerne Peripherie unter die Lupe und auch auseinander, es bleiben immer Schrauben übrig.