[ TEST ] Tropico 6 – Ruhm und Ehre für El Presidente?

Vielleicht wird 2019 das Jahr der Aufbau-Strategiespiele. Immerhin schicken sich gleich zwei bekannte Vertreter dieses beliebten Genres auf den Weg. Weil uns obschon des trüben Wetters nach karibischen Klängen zumute ist, und weil wir natürlich gerne der Boss auf der eigenen Insel sind, haben wir Tropico 6 für euch getestet.

Die Geschichte der Tropico-Reihe liest sich fast wie die Historie der Machtwechsel eines karibischen Inselstaates.  Im Jahr 2001, also vor genau 18 Jahren, erschien der erste Teil der Serie, gemacht von PopTop Software. Bereits der zweite Teil wurde von Frog City Software programmiert, die für Teil Drei von Haemimont Games abgelöst wurden. Teil 6 entstand nun beim hessischen Studio Limbic Entertainment, die sich bereits mit Spielen der Might & Magic Reihe einen Namen machten.

Ersteindruck

Musik und Macht für den Gouverneur

Unser Palast ist vorerst das einzige monumentale Bauwerk auf unserer Insel

Zum Test schickte uns Publisher Kalypso Media die „El Prez“ -Version des Spiels, inklusive 4 Postkarten, 2 Touristen-Outfits, exklusivem Palast-Design, Soundtrack und Kalender. Kaum startet man Tropico 6 wird man von fröhlichen Klängen karibischer Musik begrüßt. Außerdem erfahren wir in einem Video alles über die Hintergründe unserer zukünftigen Inselrepublik. Wir werden zu El Presidente und bekommen unseren eigenen Inselstaat. Entiendo jefe! Ganz so einfach ist es dann aber doch nicht. Zumindest geht es nicht so schnell. Im Menü können wir nun auswählen ob wir lieber Missionen oder ein freies Spiel bevorzugen. Um sich mit dem Spiel bekannt zu machen, empfiehlt es sich das Tutorial zu spielen. Erfahrene Tropicaner sollten dies allerdings kaum benötigen. Immerhin bleib das Spiel seinen Vorgängern und deren Bedienung treu. Auch ein Multiplayer steht bereit, in dem wir Karten mit bis zu 3 Mitspielern starten können. Wir wählen das freie Spiel in der Sandbox aus, in dem wir uns frei entfalten können um unsere, ähm pardon, die Bedürfnisse unseres Volkes zu erfüllen. Zuerst steht es uns frei das Aussehen unseres Präsidenten zu wählen. An Kleidung stehen neben der üblichen und bekannten Uniform, auch Outfits im Mafia-Stil oder alter Pharaonen bereit. Wie es sich gehört trägt unser Presidente aber Uniform. Außerdem können wir das Design unseres Palastes verändern, was allerdings im Verlauf unseres Spiels keine Auswirkungen hat. Dabei fällt die Charakterwahl eher mau aus, denn wirklich besonders wirkt unser Presidente nicht. Eine echte Persönlichkeit besitzt er nicht.


Gameplay

Ganz enspannt zur Weltmacht

Nach und nach bringen wir Struktur in unsere Stadt und erweitern Wohnraum und Produktion

Dann geht’s auch schon los in die Kolonialzeit. Wir beginnen unsere Karriere als eingesetzter Gouverneur eines Inselreiches. Kontrolliert von der Kolonialmacht der Krone. Ein paar Gebäude stehen uns auch direkt zur Verfügung und es liegt nun an uns unser Reich und damit unsere Macht zu vergrößern. Etwas hat sich dabei deutlich zu den Vorgängern der Reihe verändert. Uns steht nun statt  einer einzelnen Insel gleich ein komplettes Archipel zur Verfügung, auf dem wir schalten und walten dürfen. Damit bieten uns die vielen Variationen an Inselgruppen einiges an Abwechslung. In Sachen Gameplay geht es in Tropico 6 ziemlich entspannt vor sich. Wir bauen unsere Wirtschaft aus und bekommen dabei tatkrätige Unterstützung unserer rechten Hand Penultimo. Wir erfüllen Aufträge für verschiedene Fraktionen um an Wohlwollen der Selben zu gewinnen. Bauen wir eine Piratenbucht gewinnen wir an Einfluss bei den Revolutionären. Die Krone erwartet mehr Exportgüter und so verlangt man Rumdestillen und Plantagen. Schulen und Universitäten tragen zu mehr Bildung bei und auch eine Klinik wird irgendwann notwendig, um die Zufriedenheit der Bürger für kommende Wahlen zu verbessern. Ist nämlich erst die Unabhängigkeit von der Krone erklärt und eine Verfassung beschlossen, müssen wir Volk und die verschiedenen Fraktionen bei Laune halten. Was wir in unseren Wahlreden versprechen, sollten wir bis zur nächsten Wahl auch dringend halten, da wir ansonsten in der Gunst unserer Bürger fallen und möglicherweise die Wahl verlieren, wenn  wir nicht im letzten Moment die Stimmzettel manipulieren wollen. Das führt nämlich auch zu ungewollter Missgunst im Volke.

Ob wir unser Inselreich nun im Sinne des Kommunismus, Religiös oder aber zum Wohl des Kapitals führen, bleibt uns überlassen. Dennoch ist die Macht schnell verloren, wenn wir später im Spiel das Zeitalter der Moderne erreichen und viele Fraktionen um unsere Aufmerksamkeit buhlen. Wo wir in der Zeit der Weltkriege noch zwischen Achsenmächten und Alliierten wählen, stehen und dort bereits die Europäische Union, die Arabischen Emirate und viele weitere auf der Matte unseres Palastes. Ein Bündnis mit den falschen Partnern, könnte schnell das sensible System, auf das wir bisher hingearbeitet haben, ins Wanken bringen und uns bei den Wahlen viele Stimmen kosten. Mit Bestechung könnte man natürlich gegensteuern, aber das könnte unserem Kontostand auf dem geheimen Schweizer Nummernkonto schaden. Wichtig ist natürlich auch der Kontostand unserer Staatskasse, denn der wird nur teilweise durch lokale Einnahmen wie Buslinien, Kirchensteuer oder Vergnügungen getragen. Am wichtigsten sind Exportgeschäfte mit Krone und anderen Handelspartnern um wirklich flüssig zu bleiben. Dabei ist der Handel nicht so einfach und übersichtlich gehalten wie im Konkurrent Anno. In Tropico 6 können wir nur verkaufen was auch verlangt wird. Produzieren wir etwa Öl oder Gummi, so kann es sein, dass unsere Handelspartner eher nach Bananen verlangen oder gar Waffenexporte gerade das ganz große Ding sind. Hier ist es hilfreich sich beim Broker, für harte Währung aus der Schweiz, weitere Handelsabkommen zu kaufen. So haben wir mehr Auswahl wenn wir unsere Güter in der Welt verkaufen wollen. Leider ist dieses Handelssystem nicht selbsterklärend oder intuitiv. So müssen sich unerfahrene Spieler erst Tipps aus dem Internet holen um nicht Bankrott zu gehen. Hat man aber erst einmal begriffen wie es funktioniert, läuft es fast wie von selbst.

In Tropico 6 stehen uns nun ganze Inselgruppen zur Verfügung

Allgemein ist Tropico 6 recht einsteigerfreundlich gehalten und nur selten sucht man nach Erklärungen zu bestimmten Aufträgen oder Lösungen. Zudem gibt es viele Statistiken an denen man ablesen kann wo Volk und Fraktionen der Schuh drückt. Je weiter man in den Zeitaltern voran schreitet, umso mehr werden Managerqualitäten gefordert. Wir brauchen mehr, immer mehr. Von allem. Im Endgame sollten wir auf jede Erdenkliche Art unsere Staatskasse  bedienen. Tourismus, Exporte und lokale Dienstleistungen sollten gut ausgebaut und erforscht sein, da wir sonst ständig im Defizit arbeiten und es uns irgendwann auffrisst. Versorgen wir uns dann noch mit den Sehenswürdigkeiten anderer Länder, die wir natürlich dafür bestehlen müssen, ist außerdem viel Geschick in Sachen Diplomatie gefragt. Die Missionen in Einzelspieler-Modus sind eher aufgereihte Aufträge die sich in der Schwierigkeit steigern. Am Ende haben wir es sogar mit Naturkatastrophen zu tun, die uns und unserer Nation das Überleben schwer machen. Auch die Story unseres Presidente ist eher schwach erzählt. Meist werden Textboxen eingeblendet und die teilweise sehr guten Sprecher der Charaktere nur wenig gefordert. Da ginge mehr und zumindest wäre eine weniger blass und unwichtig erscheinende Persönlichkeit als El Presidente wünschenswert.

Unsere Nation wächst und nimmt bald beachtliche Größe an

Grafik und Sound

Karibische Klänge zum Sonnenuntergang

Auch optisch bietet uns Tropico 6 so manches Highlight

Die Augen bekommen in Tropico 6 ebenfalls genug zu tun, denn nicht selten staunen wir über den Detailreichtum unserer wachsenden Inselwelt. In den Fabriken und Werkstätten wird fleißig gearbeitet, geschleppt und gekocht. Transportfahrzeuge bringen eilig ihre Fracht von einem Ort zum anderen und unsere Buslinie ist perfekt um die Arbeiter einzusammeln und auf den Plantagen abzuliefern. Dabei ist es uns möglich bis auf das Straßenniveau zu zoomen und einzelne Personen zu beobachten. Die Bewohner haben Tagesabläufe und einige sogar versteckte Rollen in Fraktionen. Auch unseren Presidente können wir beobachten und oft wankt er betrunken aus einer Taverne kommend, zurück zum Palast. Die Natur ist wunderschön dargestellt und es finden sich wilde Tiere und sogar alte Mayapyramiden in den Urwäldern unseres Inselreiches. Diese müssen wir natürlich touristisch ausbeu…den Menschen der Welt kulturell näher bringen. Oft erleben wir schöne Sonnenuntergänge, tolle Lichtspektakel und auch Naturkatastrophen wie ein Meteoritenregen sind optische Highlights in Tropico 6. Tag und Nacht wechseln sich leider nicht ab. Das alles wird begleitet von wunderbarer karibischer Musik, die uns oftmals zum mitswingen bringt. Ob sanfte Musik die beruhigt oder aber flotte Salsa-Rhythmen, die uns zum Tanzen bringen, die Musikauswahl ist wirklich gut. Der Soundtrack umfasst dabei eine große Auswahl an Titeln die für gute Abwechslung sorgt. Die Atmosphäre in der Stadt und auf dem Land wird durch eine schöne Soundkulisse aufgewertet. Sie Sägen laufen, Kühe muhen und Fabriken klappern und poltern. So muss es sein. Uns gefällt was wir sehen und hören. Dabei bleibt Tropico 6 in Sachen Hardwarehunger genügsam, läuft stabil und ohne merkliche Bugs.

Tropico 6 bietet unzählige Gebäude, die sich den Zeitabschnitten und der Entwicklung anpassen

Fazit

Wir empfehlen: El Presidente, mit einer extra Portion Humor

Tropico 6 versetzt uns gekonnt und mit viel Liebe zum Detail in die Karibik der Kolonialzeit, aus der wir uns mit viel Geschick für Wirtschaft und Diplomatie herausarbeiten müssen. Dabei bietet das Spiel jedem Fan von Aufbau-Strategie und Wirtschaftssimulation einen spaßigen Zeitvertreib,  ein unfassbar umfangreiches Management mit etlichen Ressourcen und viele Möglichkeiten der Staatsentwicklung. Viele Dinge laufen fast automatisch ab und selten artet unser Spiel in Stress aus. Ganz karibisch also. All das wird untermalt von toller Musik und einer Menge witziger Sprüche und Anspielungen. Wer die Durchsagen des lokalen Radios verfolgt, kann sich regelmäßig schlapp lachen. Leider gibt es keine wirkliche Story und auch unser Presidente ist eher eine Nebenfigur ohne echte Persönlichkeit. In früheren Teilen der Serie wurde dieser wichtige Charakter stärker fokussiert. Dennoch ist Tropico 6 ein tolles Abenteuer mit viel Humor und vielen Entscheidungsmöglichkeiten für den Spieler. Das Spiel nimmt sich selbst nicht zu ernst und verteilt viel Satire, was es maßgeblich von der Konkurrenz unterscheidet. Wir sprechen eine deutliche Empfehlung aus.

Tropico 6 ist für den PC bereits verfügbar und erscheint am 31.08.2019 für Xbox One und Playstation 4.

[amazon_link asins=’B07GJ5G47S,B07GJ2Z789,B07JC9158G‘ template=’ProductCarousel‘ store=’playstaexperi-21′ marketplace=’DE‘ link_id=’740c6795-45f9-4d1d-9fe9-00b6c375d79b‘]