Vor 5 Jahren brachte Slightly Mad Studios das erste Project Cars für die Gamer und konnte damit die Herzen der Motorsport-Enthusiasten begeistern, denn Project Cars bot authentischen Motorsport auch an der Spielekonsole. Zwei Jahre später folgte die Fortsetzung, die sich weiterhin als ultimative Herausforderung sehr knackig dem Spieler gegenüber zeigte. Nun bringt Slightly Mad Studios den dritten Ableger der Serie, mit dem der Entwickler auch einen neuen Weg eingeschlagen hat. Ob es ihnen gelungen ist, verraten wir euch im Test.
Ersteindruck
Ernüchterung macht sich breit
Wir haben Project Cars 3 auf der PlayStation 4 Pro samt modernen Samsung QLED Fernseher getestet. Der Download umfasst rund 40 GB und ist auch schnell auf unserer SSD-Festplatte startbereit. Mit einer kurzen Impression landen wir im Hauptmenü und können gleich aus drei Rennboliden unsere Wahl für den Einstieg wählen. Wir entschieden uns für den Lancer, da er das Mittelmaß an Leistung bietet. Mit den ersten Metern auf der Rennstrecke macht sich auch Ernüchterung breit, da Project Cars 3 nun wirklich kein knackiges Motorsportgefühl mehr aufkommen lässt. Project Cars 3 kommt einem Forza, Grid oder Gran Turismo à la Driveclub gleich oder um es genauer auf den Punkt zu bringen: Slightly Mad Studios bringt den Gamern ein Need For Speed Shift! Ein Rennspiel, dass das Entwicklerstudio einst mit zwei Teilen für Electronic Arts entwickelte.
So donnern wir mit unserem Lancer über die ersten Strecken, müssen dabei gezielt nicht nur unsere Gegner hinter uns lassen, sondern auch sogenannte Punkte und Checkpoint überfahren, die unser Erfahrungslevel kräftig ansteigen lassen. Dazu zählen auch Kurven zu meistern und Windschatten-Manöver. Gemeinsam mit dem Flair der Rennstrecken, die allesamt sich als Party-Meilen zeigen, sind wir weit weg von realem Motorsport, den einst die Project Cars Serie ausmachte. So wissen wir nicht, wie wir das Spiel nehmen sollen. Sollen wir uns freuen, dass die Gamer endlich wieder einen Arcade-Sim-Racer bekommen oder uns enttäuscht zeigen, dass Project Cars nicht mehr das ist, was es einst war? Eins ist aber definitiv sicher: Eine technische Meisterleistung ist Project Cars 3 nicht, denn schon im ersten Eindruck zeigen sich grafische Defizite.
Gameplay
einfach aber dennoch mit Herausforderungen
Der Einstiegt in das Renngeschehen ist sehr einfach, denn neben unterschiedlichen Schwierigkeitsstufen, ist die Handhabung der Rennboliden grundsolide und eine Mischung aus Arcade und Sim-Racing. Es darf mit Herzenslust kräftig auf das Gaspedal gedrückt werden und mit Geschick die nächste Kurve gemeistert werden. So richtig Motorsport-Feeling will sich aber nicht einstellen, denn ein direktes Fahrgefühl wie wir es aus dem Spielen von Codemasters kennen, will einfach nicht rüberkommen. Vielleicht hätte Slightly Mad Studios bei Codemasters mal anklopfen sollen, immerhin hat Codemasters im letzten Jahr den Entwickler für 30 Millionen US-Dollar übernommen.
Mit dem Gamepad kann aber im Laufe der Zeit schon richtiger Spaß aufkommen, während ein Lenkrad hier wohl nicht den gewünschten Effekt erzielen kann. Das Force-Feedback zeigt sich nur sehr schwach und verdeutlicht, dass Project Cars 3 nun einen anderen Weg eingeschlagen hat. Eine richtige Kontrolle oder Feedback über unseren Boliden haben wir aber nie erhalten. Das wäre sicherlich alles noch zu verkraften, denn auch die KI darf gerne als lahm und dumm bezeichnet werden. Typische Kopf-an-Kopf-Rennen wird es nur im Multiplayer geben, aber auch hier zeigt sich dann mehr die Unfairness unsere Mitstreiter, die immer mit der Brechstange durch die Kurven donnern. So muss weiterhin der Karriere-Modus herhalten, der selbst mit dem Erhöhen des Schwierigkeitsmodus keine direkte Herausforderung bringt. Zu oft wird hier haltlos uns in die Seite gefahren oder wir werden einfach so herausgedreht und können kaum noch das Feld wieder einholen. Gepaart wird die Karriere mit einer doch fehlenden Rennatmosphäre, da sich hier zwar alle Rennstrecken wie eine Party präsentieren, aber eher an die Papp-Zuschauer in der heutigen Corona-Zeit erinnern. Stupide Massen auf den Rängen, die wie eine Welle fungieren – Wie in alten Tagen in einem Fifa 99 Stadium.
Grafik, Sound & Technik
Nicht ganz fertig?
Project Cars 3 präsentiert sich auf der PlayStation 4 Pro in einer Auflösung von 4K UHD, dass in den Einstellungen zudem noch zwischen Auflösung und Framerate definiert werden kann. Ein HDR wird nicht geboten, was für uns in der heutigen Zeit der Machbarkeit bei großen Titeln auf Unverständnis stößt. Wie schon im Ersteindruck angemerkt, entspricht die grafische Darstellung nicht unseren Ansprüchen. Alleine schon im Hauptmenü zeigt unser Lancer flackernde Texturen, die versucht werden mit Hochglanz-Effekten alles schön aussehen zu lassen. Uns lässt es aber den Anschein erwecken, Project Cars 3 wird in Full-HD mit einer Hochskalierung der PlayStation 4 Pro auf unseren Bildschirm projiziert.
Die Defizite der grafischen Leistung zeigt sich auf den Rennstrecken. Hintergründe wirken wie Pappaufsteller und aufploppende Texturen sind nur ein Merkmal dessen. Eine verschwommene Darstellung lassen uns den Blick als „besoffen“ erscheinen, während unsere Gegnerfahrzeuge gar blind und voller Pixel in Erscheinung treten. Die Licht- und Schatteneffekte sind ein wahrer Graus, wenn wir die technische Machbarkeit mit Spielen wie Gran Turismo Sport ins Verhältnis setzen. Um ganz ehrlich zu sein, der erste Project Cars Teil sah irgendwie ansehnlicher aus und wir könnten noch weiter darauf rumreiten. Von dem mageren Schadensmodell wollen wir gar nicht erst reden, ebenso vom HUD.
Das Project Cars 3 auch im audiophilen Bereich nicht ganz fertig ist, zeigt eine gewissen monotone Soundkulisse der Rennsemmeln, die zwar vorhanden ist, aber eine gewisse Kraft und Dynamik selbst auf einer 5.1 Anlage nicht bieten kann. Zudem scheint Slightly Mad Studios in unseren Augen die deutsche Synchronisation vergessen zu haben. Wir werden immer in Englisch angesprochen, die mit deutschen Untertiteln und Fenstern uns nähergebracht werden. Ob das jetzt ein ausschlaggebender Kritikpunkt ist, darüber kann gerne gestritten werden.
Doch es gibt auch einen positiven Effekt, der sich Form der Ladezeiten zeigt. Diese sind sehr kurz und angenehm, was wohl den technischen Defiziten aus der Grafik entspringt.
Umfang & Langzeitmotivation
langwierig aber nicht motivierend
Project Cars 3 verfügt über zahlreiche Autos, die von der sportlichen Straßenzulassung bis hin zu hochkarätigen Rennlegenden reicht. Leider befinden sich all diese Fahrzeuge im Verborgenen und müssen erst mit der Zeit freigespielt werden. Eine einfache Testfahrt in Form von Zeitfahren oder Training gibt es hier nicht und so kaufen wir eigentlich immer die Katze im Sack und können keinen Liebling in unser Herz schließen. All diese Wagen und Rennsemmeln können auf den 51 Strecken bewegt werden, die in allerhand Abwandlungen hier in Erscheinung treten. Darunter befinden sich auch einige bekannte Rennstrecken aus der Formel 1 Welt oder Tourenwagenmeisterschaft. Die eigenen Kreationen wirken hingegen wie aufgepeppte Party-Meilen, denen es eindeutig an Flair und Atmosphäre fehlt.
Damit Project Cars 3 auch den Ansprüchen der Arcade-Racer und Fans von Need For Speed gerecht wird, gibt es einen Editor, der eine breite Auswahl an Anpassungsmöglichkeiten für die Autos bietet, einschließlich Räder, Reifen, Felgen sowie Optionen zur Anpassung der Charakter-Persönlichkeit. Uns wäre liefer eine intensive Tuning-Option zur Feineinstellung unseres Setups lieber gewesen. Das ist aber weder neu, noch bietet es uns eine Motivation ständig weiterzumachen. Da haben Spiele wie GT Sport uns schon Besseres gezeigt.
Fazit
eine herbe Enttäuschung
Mit Project Cars 3 entschied sich Slightly Mad Studios für einen radikalen Weg der Serie, um mehr die Arcarde-Gamer begeistern zu können und lässt dabei die wahren Motorsport-Fans der Serie eiskalt vor der Tür stehen. Diese Entscheidung wirkt dabei sehr halbherzig und innovationslos, denn Project Cars 3 kann weder mit den Spielmodi noch mit dem kuriosen Fahrverhalten überzeugen – Geschweige mit Atmosphäre uns binden. Es wirkt sehr lustlos und kann den Gamer wohl kaum für längere Stunden bei der Stange halten. Dafür bieten andere Genre-Vertreter eindeutig mehr. Wir können das Spiel und den gewählten Weg nicht verstehen, immerhin hat Codemasters in diesem Jahr das beste Formel 1 Spiel aller Zeiten abgeliefert, während das zugehörige Studio irgendwie im Jahr 2015 hängen geblieben ist. Project Cars 1 macht um Längen mehr Spaß, sieht besser aus und fährt sich besser, als der neue Ableger Project Cars 3. Eine Empfehlung können wir nicht aussprechen, dafür hat uns der Titel zu sehr enttäuscht.