Bedingt durch die 2020 eingetretene Corona-Pandemie wurden nicht nur die Gamer zum „Wir bleiben zu Hause“ verdonnert, sondern es fand auch eine Umerziehung des Lebens bei allen Menschen statt. Die Zeiten von LAN-Partys erscheinen heute fast als utopisch undenkbar, als noch mit riesigen Rechnern und Röhrenmonitoren sich in eines der unzähligen Sporthallen getroffen wurde. Mit dem heimischen Internetanschluss bildete sich ein von RTL geprägtes Klischee, welche fett gewordene Gamer zeigt, die in stundenlangen Spielsitzungen sich das Junk-Food einschieben, um auf eines der größten Spielemessen ihre Bäuche und schlechte Frisuren zu präsentieren.
Gerade in der heutigen Zeit von Digitalisierung, Home-Office und einem breiten Spektrum an Lieferservice, täte etwas Bewegung und frische Luft vor der eigenen Haustür jedem ganz gut. Ein gesellschaftliches Zusammenkommen und dem Teilen gemeinsamer Interessen in alter Manier schadet niemanden, auch wenn das „vor Ort wahrnehmen“, immer etwas kostspieliger ist, als vor dem heimischen Bildschirm zu sitzen. Die Vorteile der neuen Welt liegen offenkundig auf der Hand, denn digital lässt sich im Netz mehr Umsatz erzielen, als ein Haustürvertreter Staubsauger an die Hausfrau bringen kann.
Obwohl die gesamte Gaming-Branche in den letzten zwei Jahren Rekordumsätze erzielte und selbst eingestaubte Klassiker aus dem Keller in Massen verkauft wurden, scheinen Publisher, Entwickler und große Namen wie Nintendo, Sony, Wargaming, Activision und nun auch Electronic Arts wenig Lust auf die weltgrößte Spielemesse zu haben, indem sie ihr einfach absagen und fernbleiben. Ihnen gegenüber sitzen dann große Unternehmen wie THQ Nordic, die ganz offenkundig ihre Lust zur Gamescom geäußert haben und mit Ständen in Erscheinung treten werden, die vor Jahren noch undenkbar gewesen wären.
Da ist was mega-faul im Konzept
Die Gaming-Branche wird in erster Linie von den Spielekonsolen geprägt und den Anbietern von Hardware und Peripherie im PC-Sektor. Jetzt muss man sich das mal auf der Zunge zergehen lassen: Mit Sony und Nintento bleiben schon mal zwei von 3 Konsolenherstellern der Messe fern – Microsoft kann sich hier alleine feiern lassen. Mit MSI, eines der größten Anbieter von Computerhardware, bleibt der nächste Name dem Gelände fern und veranstaltet seine eigene Show vor den Toren der Gamescom. Electronic Arts wird keinen FIFA-Stand aufbauen und lässt euch Need For Speed nur daheim erleben, während Activision das neue Call Of Duty Modern Warfare wohl nur mit den Vorbestellern feiern wird, die einmal mehr Unsummen in Spieleinhalte investieren, nur um als erster dabeisein zu können – Was eigentlich den Sinn einer Messe verkörpert.
Laut den Veranstaltern der Messe ist die Gamescom der Leuchtturm, das Herz und der Hafen für viele der mit dem Gaming verwobenen Communitys – Knapp die Hälfte der Community hat keinen Bock auf die Messe.
Dieser Entwicklung trägt die gamescom mit einer überarbeiteten Markenstrategie Rechnung, die alle Communitys on- wie offline gleichermaßen abholt. Bereits zur gamescom 2022 wird diese Weiterentwicklung jetzt noch sichtbarer werden. Gemeinsam mit den in ihrem Feld führenden Agenturen Jung von Matt BRAND IDENTITY, Jung von Matt NERD und TLGG haben die gamescom-Veranstalter game – Verband der deutschen Games-Branche und die Koelnmesse den Markenauftritt der gamescom neu konzipiert und grundlegend überarbeitet. Fans kommen daran ab heute nicht mehr vorbei, denn alle Kanäle und jede Kommunikation erstrahlt im neuen Look.
Schon jetzt, 6 Wochen vor dem Start der Gamescom, lässt sich erkennen und sagen, dass die neue Strategie der Veranstalter mit ihren Agenturen keine Weiterentwicklung im eigentlichen Sinne ist und eher als Rückschritt für die Besucher gesehen werden. Da helfen dann auch keine publizierten Zahlen und Listen aller teilnehmender Aussteller, zudem sich ein hämisches Schmunzel über den neuen Look auch nicht mehr verbergen lässt. Schreitet man mit offenen Ohren durch die Communitys, lässt sich deutlich heraushören, dass die glorreichen Zeiten einer Gamescom den alten Tagen angehört, da viele Gamer keinen Grund mehr erkennen, die Stadt Köln im August besuchen zu wollen. Die enormen Hotelpreise zur Gamescom werden nur nebensächlich betrachtet, wenn man sich daheim mit teurem Speiseöl einreiben mag, mit etwas Mehl pudert und auf der Couch in Klopapier hüllen vermag, während man ganz ohne Tests und Impfungen dem medientechnisch aufgewühlten Corona-Angst-Wahn fernbleiben kann.
Sind Messen noch zeitgemäß?
Eine Messe im wirtschaftlichen Sinne ist eine zeitlich begrenzte, wiederkehrende Marketing-Veranstaltung. Sie ermöglicht es Herstellern oder Verkäufern einer Ware oder einer Dienstleistung, diese zur Schau zu stellen, zu erläutern und zu verkaufen. Mit dem Wandel zur Digitalisierung, beschleunigt sich die Präsentation mit ihren Trailern, während Trial-Versionen und Demos dem Kunden die Möglichkeit der Zurschaustellung nutzen und ausprobieren lässt. Ein Anfassen und ausprobieren ergibt sich nur noch bei Hardware, wobei Computer und Spielkonsolen durchweg einfach in der Handhabung sind und weniger optische Kunstwerke darstellen, die man hautnah gesehen haben muss. Zweckdienlich, bedienerfreundlich und pure Unterhaltung stehen im Vordergrund. Lange Schlangen, durchschwitze Massen und überteuerte Preise vom Eintritt bis hin zur Wasserflasche stehen da im direkten Kontrast.
Eine Messe im eigentlichen Sinn wird es auch weiterhin geben, aber nicht im digitalen Bereich. Baumaschinen, Zelte, Angeln, Camping, Bücher, HiFi- und Smart-Home-Technik, aber auch Autos sind alles Waren, die vom Kunden vor Ort gesehen, bestaunt und erlebt werden wollen. Hier steht Ausprobieren und anfassen noch an erster Stelle. Ein Manko, mit dem die Gamescom die letzten Jahre schon zu kämpfen hatte, wenn man 8 Stunden für 10 Minuten Gaming sich einreihen musste und dafür noch Eintritt bezahlt hat. In jedem Media Markt kann man in einer Stunde mehr Gaming erleben und ausprobieren, als an einem Tag Gamescom!
Ein weiteres Problem der Gaming-Messen ist das Marketing, welches heute über die zahlreichen Influencer an die Gamer herangetragen wird. Jene sagen euch, welche Spiele angesagt sind und unbedingt gezockt werden sollte, welche heiligen Wachmacher-Getränke ihr in euch schütten müsst, um nicht als Loser vom Schlachtfeld gehen zu müssen. Dazu kommen die unzähligen Nahrungsergänzungsmittel, die euch einen 24 Stunden-Marathon am heimischen Bildschirm ermöglichen, damit ihr nur keine Sekunde mit dem Gang zum Kühlschrank vergeudet. Neu sind da die Massagegeräte, die sogar Verspannungen beseitigen wollen, denn nur Sitzen erzeugt auch Schmerzen vom Finger bis zum Po.
Das „Heart Of Gaming“ schlägt schon lange nicht mehr in Köln, sondern da wo Gaming gelebt wird – Auf der heimischen Couch oder dem kunterbunt-beleuchtetem Rechner.