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Könnte die Gamescom 2023 die letzte ihrer Art sein?

In gut zwei Monaten startet in Köln die weltgrößte Videospiele-Messe auf dem Geländer der KoelnMesse. Ihren Ursprung fand die Gamescom 2002 als Games Convention in Leipzig, wo sie bis zum Jahr 2008 stattfand. Im Laufe der Jahre konnte der Veranstalter die Gamescom zur weltgrößten Videospiele-Messe etablieren und überholte dabei sogar die E3 in Los Angeles. Ihren Höhepunkt fand die Messe 2019, wo mehr als 1.100 Aussteller rund 373.000 Besucher anlockte. Mit der aufkommenden Corona-Pandemie musste die Gamescom für zwei Jahre pausieren, während im Jahr 2022 die Tore wieder 265.000 Besucher zählen konnte.

In den zwei Jahren der Pandemie fand ein Umdenken in der Gaming-Branche statt und digitale Inhalte wurden zu einem festen Bestandteil und über das Internet erreichte die Aussteller deutlich mehr Interessenten, als zuvor in den dicht befüllten Hallen. So blieben im vergangenen Jahr große Publisher wie Nintendo, Activision Blizzard, Sony, Take Two, Electronic Arts und Wargaming der Messe fern. Obwohl die Ausstellerzahlen in der Summe nicht deutlich abnahm, war das Fehlen von zahlreichen Ausstellern deutlich sichtbar und trübte nicht nur das Bild in der Entertainment-Arena.

In diesem Jahr wird die Gamescom erneut vom 23. – 27. August in Köln stattfinden und ein fader Beigeschmack macht sich breit, da schon jetzt Sony mit ihrer Hausmarke PlayStation die Teilnahme abgesagt haben. Zudem fehlen noch Zusagen von Electronic Arts, Activision und einigen weiteren großen bekannten Marken. Hinzukommt noch eine deutliche Erhöhung der Eintrittspreise, die sich in den letzten 8 Jahren vervierfacht und seit 2019 sogar verdoppelt haben. Sicherlich liegt der Eintrittspreis mit 36 Euro für Samstag noch deutlich unter den Preisen eines Freizeitparks, aber dafür muss man bei der Achterbahn auch nicht an die 8 Stunden anstehen, um 10 Minuten Videomaterial ausprobieren zu können.

Das größte Problem ist die Infrastruktur!

Obwohl die Koelnmesse in den letzten Jahren hohe Inventionen getätigt hat und in den kommenden Jahren das Messegelände ausgebaut wird, platzt das Gelände aus allen Nähten und die schon in die Jahre gekommenen Hallen sind keinesfalls mehr zeitgemäß. Bei den riesigen Besucherzahlen wird man zum Teil wie ein Schwarm Fische durch die Gänge geschoben. Das dichte Gedränge und das karge Freigelände erinnert mehr an ein Industriegelände, satt an einen Ort für gemütliches Zocken. Das Ambiente darf gerne als katastrophal bezeichnet werden!

Schon mehrfach wurde darüber diskutiert, die gamescom in andere Städte zu verlagern, aber immer wieder konnte der Messebetreiber die Veranstalter von einem Bleiben überzeugen. Dabei verliert man sich zu gerne, da auch die Stadt Köln den enormen Andrang nicht mehr gewachsen ist und dass Angebot und Nachfrage bei Hotels nicht nur ein über die Jahre ausgebuchte Tatsache hervorbringt, sondern auch die Preise unverschämt ansteigen lässt. So wird auch hier mal schnell der Preis für eine Übernachtung auf das 4 – 5-fache angehoben, dass man für alle Gamescom-Tage locker eine Woche All-inclusive-Urlaub zu Zweit buchen kann.

Mehrwert für Besucher deutlich gesunken

Es gab einmal eine Zeit, da wurde die Messe für glorreiche Ankündigen eines Call of Duty, Battlefield, Star Wars: The Old Republic oder des Sony Handheld PS Vita sowie der PlayStation VR bekannt. Hier konnten Besucher sich von allen ein Bild machen, auch wenn im Laufe der Zeit das Warten einen ganzen Tag beanspruchen konnte. Doch man konnte den Hals nicht voll genug bekommen und die Politik wurde mit einbezogen, wo Bundeskanzlerin oder gar Verkehrsminister sich die Klinke in die Hand geben.

Im digitalen Zeitalter sieht alles anders aus und ganz ohne verschwitztes Hocken in eines der langen Schlangen, können wir zu gleichen Zeit, Demos und Trials der neusten Spiele ganz bequem von zu Hause ausprobieren. Die Ankündigungen erfolgen im allabendlichen Programm von der ersten Reihe samt der Couch aus. Das ist nicht nur billiger für den Gamer, sondern auch für den Publisher. Hier muss weder ein Stand aufgebaut und Fläche bezahlt werden, noch den (teuren) Catering-Service genutzt werden.

Ganz ohne die großen Publisher und Konsolenanbieter, wie Sony, lohnt sich der Besuch wohl kaum noch. Die Kosten im Verhältnis zum Erlebten erinnern dann doch eher an einen postapokalyptischen Abenteuer des Geldbeutels, dem die Ressourcen bis zur Unermüdlichkeit entzogen werden.

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Der Rotstift bei den Publishern wird der Dolchstoß für die Gamescom

In Zeiten, der doch verfluchen, Corona-Pandemie waren die Videospiele-Hersteller neben der Pharmaindustrie die Gewinner, da hier Umsätze erreicht wurden, die nicht nur ein Vielfaches der eigenen Vorstellung überstieg. Hier stiegt der Anteil an digitalen Inhalten, der sich heute bei rund 45 Prozent aller Inhalte eingependelt hat. Doch die schwierigen Zeiten des Chip-Mangels, fehlenden Konsolen und einer weltweiten Inflation gingen und gehen auch an den Publisher nicht vorbei. So muss der wohl größte europäische Medienkonzern im Bereich Videospiele, Embracer Group (THQ, PLAION …) heute den Rotstift ansetzen und spricht von Stellenabbau. Diesen Rotstift kennt Electronic Arts zu gut, aber auch im Hause Activision Blizzard ist er kein Unbekannter, wobei Sony auch schon damit agiert hat. Da passt es dann einfach nicht in das Konzept, Millionen für eine Messe in Köln ausgeben zu wollen, wo nur ein Bruchteil aller Gamer erreicht wird. Letztendlich schafft das Sony mit ihrem Playstation-Showcase State Of Play deutlich günstiger bei enorm weitreichender Community.

Die Zukunft der Gamescom ist vorhersehbar und so wird auch diese weltgrößte Videospiele-Messe sich dem gleichen Schicksal wie die Electronic Entertainment Expo (E3) ergeben müssen, die nach Absagen etlicher Hardwarehersteller und Publisher vollständig abgesagt wurde. Die E3 findet im vierten Jahr in Folge nicht mehr vor Ort in Los Angeles im berühmten LA Conference Centre statt. Je mehr und je öfter Publisher wie Sony der Messe fernbleiben, desto mehr sinkt das Interesse und deren Attraktivität.

Ganz verschwinden wird die Gamescom sicherlich nicht, das hybride Konzept wird der Messe noch ein wenig das Überleben sichern. Dazu braucht es aber Videospiele, die zudem im Rahmen und Zeitraum der Gamescom angekündigt oder präsentiert werden können. Gerade dieses Vorgehen hat sich in den letzten Jahren deutlich verändert und gar ein Sommerloch verschwinden lassen, während der einst so Heiße-Herbst eher zu kalten Weihnachtstagen geführt hat. Letztendlich wird die Gamescom dann wie ein Organspender ausgeweidet, wo die Indie-Booth-Arena zu den lukrativsten Bereichen gehören wird.

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