Bild: Plaion

[ TEST ] ATOMIC HEART – Aufstand der Maschinen

Nach fast fünf Jahren seit dem Entwickler Mundfish den aufsehenerregenden Ankündigungstrailer von Atomic Heart erscheint der Singleplayer-Ego-Shooter nun in diesen Tagen. Wir durften den viel erwarteten Titel vorab spielen und verraten in unserem Test, ob es zum Hit taugt.

Ersteindruck
Ein sowjetisches Silicon Valley

Atomic Heart versetzt uns in eine alternative sowjetische Geschichte, in der wir von einer Armee wütender Androiden konfrontiert werden. Die ersten Momente der etwa 25-stündigen Kampagne führen uns von den sonnenverwöhnten Straßen der Planstadt Chelomei, die hoch über den Wolken schwebt, bis hinunter in die schattigen unterirdischen Tiefen der zerstörten Vavilov-Anlage, wo ein gewalttätiger Roboteraufstand fast alle menschlichen Arbeiter ausgelöscht hat.

Atomic Heart macht einen verdammt guten ersten Eindruck. Nach einer gemächlichen Kanalfahrt durch eine ausgedehnte Metropole während einer nationalistischen Feier des wissenschaftlichen Fortschritts erklimmen wir in der Rolle des russischen Veteranen namens „P-3“ einen großen Turm und erhalten einen einfachen Auftrag: „Kümmern Sie sich um jemanden.“ – heißt es in knappen Worten.

Was folgt, ist ein ziemlich langer Prolog-Abschnitt, der etwa drei Stunden lang aus linearen oder fast linearen Kämpfen, Rätsellösungen und narrativen Erläuterungen besteht, bevor man in die semi-offenen Welt wirklich losgelassen wird. Sobald man das erste Gebiet verlassen hat, kann man so viel oder so wenig von der riesigen Landschaft erkunden, wie man möchte, und es gibt eine Menge (vielleicht zu viel) zu sehen.

Gameplay
Bioshock lässt grüßen

Einer der Eckpfeiler der Spieleerfahrung in Atomic Heart sind die Dungeons, in denen wir mit oft gut durchdachten Rätseln konfrontiert werden und uns einer Menge Gegnern widersetzen müssen, während wir tiefer in die Geschichte eintauchen und die Lore dieser sowjetischen Welt kennenlernen. Allein das Auffinden, Freischalten und Betreten dieser Dungeons kann schon eine Herausforderung für sich sein. In einem Fall haben wir eine ganze Stadt erkundet, in der es von Killerpflanzen wimmelte, nur um festzustellen, dass der Strom abgeschaltet war.

Um den Strom wiederherzustellen, mussten wir einen versteckten Eingang in die Kanalisation unter Wasser finden, wo wir die Kessel überlasten mussten, um die Ranken wegzubrennen, die das fliegende Stromsignal in der Gegend blockierten. Es war eine materiell und intrinsisch lohnende Aufgabe, und es gab keinen einzigen Wegpunkt oder Hinweis darauf, wie wir sie hätten bewältigen sollen.

Diese Art von Erkundungsfreiheit ist jedoch in der Hauptgeschichte nicht vorhanden. Es gibt im Wesentlichen zwei Spiele in Atomic Heart – eines, in dem man Far Cry-ähnliche Erkundungen und Plünderungen durchführt, und ein anderes, in dem man sich durch traditionellere Einzelspieler-„Level“ bewegt. Ich glaube, das erinnert mich ein wenig an Elden Rings „Legacy Dungeon“-Ansatz für Open-World-Design. Im Großen und Ganzen funktioniert das auch. Aber es gibt zu wenige Ideen, die zu dünn gestreckt sind, um ein so langes Erlebnis zu rechtfertigen. Am Ende des Spiels dachte ich, ich würde verrückt werden, wenn ich noch einmal eines der Türschloss-Rätsel sehen würde.

Das soll aber nicht heißen, dass es keine Überraschungen zu finden gibt. Atomic Heart hat einige atemberaubende Schauplätze und einige unglaublich detaillierte Animationen. Dieses Spiel bietet einige der schrägsten und inspirierensten Bilder, an die ich mich erinnern kann. Einer meiner neuen Lieblings-FPS-Bosskämpfe ist hier enthalten (ergänzt durch Mick Gordons fantastischen Soundtrack). Es gab einige echte „Wow“-Momente, auch wenn sie manchmal ein wenig zu weit auseinander lagen.

Das Storytelling ist überraschenderweise ein Highlight. Besonders gut gefallen hat uns die Dynamik zwischen dem dummen und besserwisserischen Protagonisten und seinem witzigen, respektvollen KI-Assistenten Charles. Manchmal hatten wir Mühe, den Untertiteln zu folgen, wenn es heiß herging.

Der Begriff „sowjetisches Bioshock“ klingt banal, ist aber durchaus zutreffend, um Atomic Heart als Kunstwerk zu beschreiben. Das Spiel macht keinen Hehl aus seinen Inspirationen. Eine Prise Bioshock hier, etwas Prey da und ein bisschen Far Cry dort. Und so gibt es auch hier Power-ups und Waffen-Upgrades und so weiter und so fort, aber der Grad, in dem wir mit der Umgebung interagieren können, um etwas zu bewirken, ist ziemlich begrenzt. Man kann Polymer-Gel versprühen, um elementare Effekte vom Boden auf einen Gegner zu übertragen, oder sich sogar in Kameras einhacken, um bestimmte Türen zu öffnen, aber das sind eher Ausnahmen als Regeln.

Meistens setzt man offensiv ausgerichtete Fähigkeiten ein, um ganze Schwärme von Gegnern im Kampf zu besiegen, und das macht bei weitem mehr Spaß. Was die Interaktivität angeht, würde ich es eher als Bioshock Infinite bezeichnen, allerdings mit weitaus besseren und lohnenderen Erkundungen und Rätseln.

Es gibt auch einige sehr willkommene Neuerungen, die Atomic Heart anders macht, als seine Genre-Vertreter. Zum Beispiel gibt es kein Mana, sondern nur Abklingzeiten für die Fähigkeiten. Es gibt ein Energiesystem, das für bestimmte Waffen verwendet wird, die Elektrizität verwenden (nützlich, um Roboter, die primäre Fraktion der Feinde, auszuschalten). Diese Energie wird durch den Einsatz von Nahkampfwaffen wieder aufgeladen, die sehr mächtig sind, vor allem in Kombination mit Schock- und Gefrierkräften. Dann gibt es noch das Standardarsenal, das mit Aufsätzen und „Kanistern“ – Elementarphiolen, die an den Waffen befestigt und von ihnen verbraucht werden – weiter angepasst werden kann. Und das Beste daran? Jede Waffe, jedes Upgrade oder Power-Up kann für eine volle Rückerstattung zerlegt werden. Das ist sehr empfehlenswert und wichtig, um schwierigere Bosse mit nur einer Schwäche zu besiegen.

Wie wir bereits erwähnt haben, machen die Kämpfe ziemlich viel Spaß. Die Vielfalt der Feinde ist gut… aber nicht großartig. Es gibt Dutzende von gleichermaßen effektiven Möglichkeiten, sie zu vernichten, von Stromschlägen über Splitterschäden bis hin zu telekinetisch unterstützten Angriffen. Schusswaffen sind mächtig, aber wir wünschten, ihr Treffer-Feedback wäre so gut wie das ihrer Nahkampf-Gegenstücke, dass die Feinde dazu bringen, sich zu heben, wenn man ihnen die Wunden ins Fleisch (oder Metall) schneidet.

Grafik und Sound
Faszinierendes Art-Design

Getestet haben wir Atomic Heart auf der PS5. Auf der Konsole macht der Shooter eine überzeugende Figur. Die Grafik wirkt sehr ansehnlich und die Optik besticht vor allem durch den Abgedrehten Look einer sowjetischen Maschinenwelt, die den Spagat aus Science-Fiction und 60er-Jahre Flair versprüht. Anders als bei vielen Spielen der Fall, gibt es bei Atomic Heart auf der PS5 keine optionalen Grafik-Modi. Das Spiel läuft dabei in einer festgelegten Einstellung von 60 fps und dynamischer 4K-Auflösung. Nur an einigen wenigen Stellen im Spiel, hatten wir kurze Ruckler zu beklagen.

Die Sprachausgabe gibt es in Englisch und Russisch. Wobei hier erwähnt sein muss, dass die russische Sprachausgabe die deutlich gelungenere ist. Wer ausschließlich die deutsche Sprache beherrscht, muss sich mit Untertiteln zufriedengeben. In hektischen Szenen wird es dabei manchmal anstrengend, die gut geschriebenen Dialoge noch mitzulesen.

Der Soundtrack stammt von Mick Gordon, der sich unter anderem mit den beiden letzten Doom-Titeln einen Namen gemacht hat. Der Soundtrack ist kurzum fantastisch gelungen und verbindet den 60er Jahre Sowjet-Charme mit wuchtig-krachenden Synthesizern und Gitarren.

Fazit
Atomic Heart ist ein Ego-Shooter, der vieles sein will und viel davon richtig gut hinbekommt.

Alles in allem existiert Atomic Heart tatsächlich, aber was noch wichtiger ist, es ist überraschend gut gelungen. Das Art-Design ist wirklich einzigartig, und die Kämpfe und das Missionsdesign sind wirklich erstklassig. Wir würden uns wünschen, es gäbe nach hinten raus ein bisschen mehr Vielfalt und eine weniger große Open World, um die Monotonie, die sich später einstellt, aufzubrechen.

Unterm Strich schafft es Atomic Heart gleich auf mehreren Ebenen zu überzeugen: Die toll gestalteten Umgebungsrätsel, die knackige Kampfmechanik, das unverbrauchte Sowjet-Diktatur-Design und die interessanten Dialoge ergeben ein Gesamtergebnis, das wirklich spaß macht und beeindruckt. Gerade auch, weil sich Singleplayer-Ego-Shooter in den letzten Jahren eher rar gemacht haben, wirkt Atomic Heart wie ein frischer Impuls.

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