Marvel’s Spider-Man schwingt sich nun schon seit etwa einer Woche über die PlayStation 4. Mit etwas Verspätung sagen wir euch nun, warum man sich das Spiel trotz einiger Schönheitsfehler auf keinen Fall entgehen lassen sollte.
Ersteindruck
Spidie in Bestform
Spider-Man sieht nicht nur toll aus, es sieht VERDAMMT toll aus. Die erste Stunde im Spiel habe ich nur damit verbracht, mir New York anzusehen und zu staunen, wie authentisch die Stadt rüberkommt. So lebendig und überzeugend war bisher keine Spielwelt. Überall Passanten, Verkehr und reges Treiben in den Straßen. In den dunklen Gassen wird mit der ein oder anderen Substanz die Wirtschaft angekurbelt und immer wieder gibt es zufällige Ereignisse wie Unfälle oder Überfälle, bei denen Spider-Man das tun kann, was die freundliche Spinne aus der Nachbarschaft eben so tut. Helfen. Dazu kommt der fantastische Ausblick von den Dächern New Yorks. Dieses besondere Gefühl von Spidie-Freiheit macht einfach Spaß und lädt immer wieder dazu ein, völlig ziellos durch die Stadt zu schwingen und einfach nur zu genießen.
Auch wie die Menschen in den Straßen mit Spidie interagieren verstärkt das Gefühl einer lebendigen Spielwelt. Einige feiern ihn, andere können ihn nicht leiden. Vereinzelt könnt ihr sogar direkt mit Passanten interagieren. Mal ist es ein einfacher Handschlag, dann wieder ein High 5 und ab und zu lässt sich Spidie auch zu einem Selfie mit einem Fan überreden. Wer möchte, kann hier und da auch die aktuelle Ausgabe des Daily Bugle lesen oder dem Live-Podcast von J. Jonah Jameson lauschen, den Spidie automatisch empfängt und in dem J.J. nach allen Regeln der Kunst über Spider-Man her zieht und einige etwas seltsame Verschwörungstheorien über die freundliche Spinne aus der Nachbarschaft äußert. Das alles erschafft ein tolles Gefühl von einer Welt, die wirklich „lebendig“ ist.
Gameplay
Der König des Swing
Die wohl größte Stärke spielt Spider-Man beim Gameplay aus. Noch nie war es schöner, sich durch die Häuserschluchten New Yorks zu schwingen. Da nimmt man auf dem Weg zur nächsten Hauptmission gerne einen kleinen Umweg in Kauf, um eben noch schnell einen Raubüberfall zu verhindern, oder ein Entführungsopfer aus dem Kofferraum eines Wagens zu befreien. Einfach nur um sich noch ein bisschen länger durch die Gegend schwingen zu können. Hat man das Ganze erstmal ein bisschen drauf, macht es sogar noch mehr Spaß sich halsbrecherisch von Wolkenkratzer zu Wolkenkratzer zu schwingen, an den Glasfassaden entlang zu laufen und sich im Sturzflug von Gebäuden zu stürzen um im letzten Moment sein Netz zu spinnen und wenige Zentimeter über dem Asphalt zwischen Fahrzeugen und Fußgängern hindurch zu schwingen. Im späteren Spielverlauf bekommt man zwar auch eine Schnellreisemöglichkeit spendiert, aber die dürfte wohl kaum jemand wirklich intensiv nutzen.
Auch das Kämpfen geht wunderbar von der Hand. Das Combosystem lässt euch enorm viel Freiheit um Kämpfe so zu führen wie Ihr das wollt. Egal ob nur mit Fäusten und Füßen, mit den vielen Gadgets und Spinnenfähigkeiten, schleichend im Stile eines Sam Fischer oder auch eine Kombination aus allem … Ihr habt die freie Wahl. Mit etwas Übung könnt ihr kinoreife Comboketten und fast grazil anmutende Kampfchoreografien auf die heimische Matscheibe zaubern. Und wer das möchte, kann auch die Umgebung mit einbeziehen. Briefkästen, Gullideckel, Autotüren und selbst Motorräder könnt ihr den Gegnern entgegenschleudern. Selbst vorher eingesponnene Feinde können als Wurfgeschosse zweitverwertet werden. Kurzum: Das Kampfsystem ist Freiheit pur.
Dazu kommen noch die Quicktime-Events, die aber dank der Kinoreifen Inszenierung und der genialen Kameraführung nie langweilig oder aufgesetzt wirken. Mal müsst ihr „nur“ ein Auto stoppen und dann einen umstürzenden Kran, eine außer Kontrolle geratene U-Bahn oder auch einen Hubschrauber daran Hindern in die Straßen New Yorks zu krachen und Unschuldige zu verletzen.
So toll das Gameplay in den genannten Punkten auch ist, so schlecht ist es allerdings an einer anderen Stelle. Um’s direkt auf den Punkt zu bringen: Das Balancing ist vollkommen daneben. Um nicht zu sagen, es ist in den Rot-Blauen Strampelanzug gegangen. Die Bosskämpfe sind in Bezug auf die Schwierigkeit ein absoluter Witz (auch wenn sie fantastisch inszeniert sind), die Kämpfe gegen normale Gegner nehmen an einigen Stellen dafür fast unfaire Züge an. Nicht nur wegen der hohen Anzahl der Gegner. Die alleine wäre nicht das Problem. Es liegt eher daran, dass sie zusätzlich auch noch verhältnismäßig viel Schaden verursachen, wenn sie euch mal erwischen. Das beides in Kombination kann schon für den ein oder anderen Frustmoment sorgen.
Grafik/Sound/Technik
Der schönste Spidie aller Zeiten
Auch wenn ich mich damit jetzt wiederhole: Spider-Man sieht VERDAMMT toll aus. New York könnte nicht schöner sein. Die Straßen sind belebt, überall wuselt und bewegt sich was. Zufällige Events, wie Verkehrsunfälle und Überfälle sorgen für ein authentisches Bild und lassen die Stadt lebendiger wirken, als je zuvor. Im laufenden Spiel gab es dabei keinerlei gravierende Probleme. Die Framerate blieb durchgehend stabil, keine in der Entfernung aufploppenden Texturen oder sonst irgendwelche Fehler in Sachen Optik. Im Gegenteil. Wer einmal durch die wunderschönen, sonnendurchfluteten Schluchten zwischen Wolkenkratzern geschwungen ist, will nie wieder was anderes machen. Lediglich in den Zwischensequenzen gab es immer wieder unschöne Darstellungsfehler. Dazu aber später mehr.
Der Sound ist perfekt auf das Spiel und die jeweilige Situation zugeschnitten und kann locker mit Hollywood-Blockbustern mithalten. Das erzeugt nicht nur die passende Stimmung, sondern motiviert auch zum Weiterspielen. Ein kleines aber feines Detail ist dabei z.B. das Einsetzen der Musik, die ein kleines bisschen an die Titelmelodie der Filme mit Tobey Maguire erinnert, sobald Spidie anfängt durch die Stadt zu schwingen.
Allerdings hat man es sich an einigen Stellen dann doch ein bisschen einfach gemacht. Oder es schlicht vergessen. Denn viele der zufällig von Passanten auf den Straßen gesprochenen Sätze wurden nicht ins deutsche übersetzt. So reden einige von ihnen Englisch mit euch. Ob es sich dabei um ein Versäumnis bei der Lokalisierung handelt, oder ob es vielleicht sogar ein Stilmittel sein soll, lässt sich dabei leider nicht sagen.
Was die Technische Umsetzung angeht, gibt es noch ein paar Schrauben nachzuziehen. Vor allem in den Zwischensequenzen gibt es immer wieder kleinere und auch größere Darstellungsfehler, die sich allerdings nicht bei jedem Spieler gleich äußern. In meinem Fall kam es zum Beispiel regelmäßig vor, dass einzelne Texturen einfroren, während die Sequenz weiterlief. Da flog dann z.B. auch mal das ein oder andere Haupthaar etwas seltsam durchs Bild (Beispiele findet ihr im Video). Auf Nachfrage bestätigten mir einige Kollegen anderer Magazine, dass sie ebenfalls Darstellungsfehler hatten. Einige berichteten von nicht vorhandenen Lippenanimationen, andere von eingefrorenen Charaktermodellen und bei einigen gab es sogar keinerlei Fehler. Gelegentlich setzte in den Cutscenes auch der Sound kurz aus und die Szene ruckelte sich für ein oder zwei Sekunden wieder zurecht.
Im laufenden Spiel gab es die gerade beschriebenen Probleme allerdings kein einziges Mal. Daher fällt eine abschließende Bewertung der technischen Umsetzung etwas schwer. Man muss jedoch festhalten, dass es hier noch ein paar Baustellen gibt.
Umfang/Inhalt
Langeweile: Fehlanzeige
Spider-Man ist prall gefüllt mit größeren und kleineren Aufgaben. Der Story-Mode kann sich dabei mit etwa 15-20 Stunden Spielzeit durchaus sehen lassen. Wer das Spiel zu 100% abschließen will, muss ca. 30 Stunden einplanen.
Auch was die Geschichte angeht, wird hier eine absolut überzeugende Vorstellung abgeliefert. Die Story ist interessant, die Charaktere authentisch und auch wenn der Verlauf der Geschichte manchmal etwas vorhersehbar ist, hat mich vor allem das letzte Drittel so richtig gepackt.
Die Charaktere sind genau so, wie man sie sich vorstellt. Speziell Peter Parker hat ein Profil bekommen, das keine Wünsche offen lässt. Zwar steht sein Superheldendasein im Vordergrund, aber auch seine menschliche Seite wird nicht vernachlässigt. Die typischen Probleme eine Jungen Mannes wie z.B. Geldsorgen, Liebeskummer und Alltagssorgen werden genau so gut rüber gebracht wie sein wachsendes Verantwortungsbewusstsein und die damit verbundene Sorge, dass ihm das alles über den Kopf wächst. Aber dank einer gut geschriebenen Mary Jane Watson und seiner Tante May an seiner Seite bekommt er den nötigen Rückhalt und die Unterstützung, die er braucht. Selbst Doktor Octavius, sein Mentor und Freund, hilft ihm mit der ein oder anderen Situation klar zu kommen. Alles in allem muss man sagen, dass es nie einen authentischeren und sympatischeren Hauptcharakter in einem Spider-Man-Spiel gab.
Auch die Nebenbeschäftigungen sind abwechslungsreich und vielseitig. Angefangen bei einfachen Schlägereien mit ein paar Aushilfsgangstern, über das Aufspüren vermisster Personen, bis zum entschärfen von Bomben ist praktisch alles dabei. Auch ein paar Mini-Spielchen haben den Weg ins Spiel geschafft. So könnt/müsst ihr im Labor z.B. Chemikalienproben analysieren indem ihr ein vorgegebenes Streifenmuster mit einer Art Schablone nachbaut, oder Schaltkreise reparieren indem ihr dafür sorgt, dass die vorgeschriebene Spannung am richtigen Ende ankommt. Manch einer mag solche Rätselaufgaben hassen, ich hingegen empfand sie als gelungene Abwechslung neben all der Action und Spannung. Zumal sich die Anzahl derartiger Aufgaben auch stark in Grenzen hält.
Der Fotomodus mag nur ein kleines Gimmick sein, aber er macht verdammt viel Spaß. Egal ob ihr beeindruckende Aufnahmen der Stadt machen wollt, Schnappschüsse beim Schwingen, oder Selfies in Luftiger Höhe. Praktisch alles ist möglich. Wer will, der kann seine Bilder auch mit Rahmen, Sprechblasen und/oder allerlei Stickern versehen. Selbst in den Zwischensequenzen kann man pausieren und die Szene fotografieren.
Zu all Dem kommen dann noch diverse freischaltbare Anzüge, von denen fast jeder eine spezielle Fähigkeit freischaltet wie z.B. kurzzeitige Immunität gegen Kugeln. Die neuen Kutten bekommt man zum einen durch das Voranschreiten in der Story, zum anderen aber auch durch das erledigen bestimmter Nebenaufgaben. Sammelt ihr all eure alten Rucksäcke in der Stadt ein, bekommt ihr zum Beispiel Peters ersten selbst gemachten Anzug. Für einige der Kostüme müsst ihr allerdings zusätzlich spezielle Marken investieren. Diese bekommt ihr für die verschiedenen Nebenaufgaben. Für das Räumen gegnerischer Lager und das Bekämpfen von Verbrechen bekommt ihr z.B. Verbrechensmarken bzw. Basismarken und für das Erfüllen von Forschungsaufgaben in den später im Spiel zu findenden Forschungsstationen eures Freundes Harry Osbourne gibt es Forschungsmarken. Es gibt noch einige mehr, die Stück für Stück gesammelt werden müssen, sofern ihr alle Kostüme herstellen wollt. Auch für das Herstellen und Verbessern eurer Gadgets werden die Marken benötigt.
Kleiner Tipp für Trophäenjäger: Um alle Anzüge zu sammeln, solltet ihr die Herausforderungsmarken etwas sparen und nicht zu viele für die Gadgets ausgeben, wenn ihr euch an den knackigen Challanges des Taskmasters die Zähne nicht zu sehr ausbeißen wollt.
Leider vermisse ich aber auch ein paar Sachen in Spider-Man. So kommen zum Beispiel die obligatorischen Superschurken im Spiel für meinen Geschmack ein wenig zu kurz. Zwar sind einige Prominente wie unter anderem Rhino, Shocker, Electro und Vulture dabei, aber ein paar mehr hätten es durchaus sein dürfen. Gerne auch einige, die in der jüngeren Vergangenheit vielleicht ein wenig in Vergessenheit geraten sind. Wie zum Beispiel Mysterio oder auch weniger prominente, wie Hydro-Man. Wenn auch nur in kurzen Gastrollen, oder dem ein oder anderen Dialog. Das hätte das Spiel inhaltlich noch ein kleines Bisschen aufpeppen können und hätte Fan-Herzen noch ein bisschen höher schlagen lassen können. Aber wer weiß was die Entwickler noch für Erweiterungen in ihrer Schublade liegen haben. Man darf auf jeden Fall gespannt sein.
Wer etwas mehr Gameplay vom Spiel sehen will, findet HIER den ersten Teil meines Livestreams vom 8. September. Den zweiten Teil gibt es HIER.
FAZIT
Um die Frage in der Überschrift direkt zu beantworten: JA verdammt! Spider-Man ist ohne Zweifel ein fantastisches Spiel und auch eines der besten der aktuellen Generation. Es sieht fantastisch aus, bietet ein nahezu perfektes Spider-Man-Feeling und erzählt eine tolle, fast Kinoreife Geschichte. Auch wenn es am Ende nicht ganz reicht um als Meilenstein oder gar Meisterwerk durchzugehen schafft Marvel’s Spider-Man genau das, was es schaffen soll: Auf höchstem Niveau unterhalten und ein Spielerlebnis erschaffen, das eines Spider-Man würdig ist und jedes Fan-Herz höher schlagen lässt. Die kleineren Schönheitsfehler ändern daran nicht viel. Wer Spider-Man mag, wird dieses Spiel lieben.
Der Test basiert auf Patch-Version 1.04. Gespielt wurde auf der PS4 Pro.
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