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[ TEST ] WATCH DOGS LEGION – Gehacktes nach Ubisoft´scher Art

Mit Watch Dogs Legion führt uns Spieleschmiede Ubisoft ein weiteres Mal in eine dystopische Welt, in der die Technik über den Menschen herrscht und Smartphones, Kameras und Drohnen zu Waffen werden, die die Bevölkerung auf Schritt und Tritt überwachen. Wir haben den Open-World Actiontitel für euch getestet.

Das Spiel wurde von uns auf der PlayStation 4 Pro mit einem 4K UHD-TV getestet.

Ersteindruck
1984 in der Zukunft

Das London der Zukunft hat viele Veränderungen durchgemacht. Nach einem verheerenden Anschlag auf Englands Hauptstadt hat sich die Metropole zu einer Hochburg digitaler Überwachung gewandelt. Die Polizei wurde abgelöst durch die „Albion“, eine Privatarmee, die sich ihre eigenen Gesetze schafft und ganz und gar nicht zimperlich agiert, wenn es darum geht, diese durchzusetzen.

London erinnert mehr und mehr an einen totalitären Unrechtsstaat, in der jede als potenzieller Täter gilt und streng beobachtet wird. Die Menschen haben ihre Freiheit gegen Sicherheit getauscht und am Ende beides verloren. Die Missstände rufen aber auch eine Gegenbewegung auf den Plan, die aus Watch Dogs 2 bekannten DedSec rebellieren gegen das Regime. Aus dem Untergrund heraus haken sie sich in jedes System der digitalisierten Stadt.


Gameplay
DedSec hat viele Gesichter

Die wohl größte spielerische Neuerung mit der Legion aufwarten kann, ist der fehlende Hauptcharakter. Es existiert schlicht keiner! DedSec ist eine Bewegung aus verschiedensten Bewohnern von London. Die Hackergruppe folgt keiner Hierarchie, in der es eine ikonische Anführerin, oder einen Anführer gibt. Das ist ein durchaus logischer Schritt, denn den Kopf einer Bewegung kann man abschlagen und die restlichen Anhänger damit demoralisieren und zum Aufgeben zwingen. DedSec allerdings hat unendlich viele Köpfe.

Und Mitglied kann jeder sein. Vom einfachen Arbeiter, bis hin zum Soldaten oder Arzt, egal ob Rentnerin oder Geschäftsfrau. Ein jeder hat das Recht, bei DedSec einzusteigen und die Schlagkraft gegen die Albion entscheidend zu erhöhen.

Jedem Menschen zeichnen bestimmte Eigenschaften und Talente aus. So verhält es sich auch mit potenziellen Anwärtern für DedSec, die wir aufspüren und rekrutieren dürfen. Doch bis es soweit kommt, müssen wir sie erst einmal dazu überreden.  Das gelingt uns am besten, indem wir kleine Gefallen erweisen.

Jedes neu gewonnene Mitglied bringt auch seine Stärken mit ins Team. Der besondere Kniff hierbei ist, dass wir in all diese Rollen schlüpfen dürfen. Als Spieler legen wir uns nicht etwa auf einen bestimmten Charakter fest, vielmehr wechseln wir nach Belieben hin und her. Die einzelnen Charaktere wirken dabei nicht alle aus der gleichen Soße. Vielmehr machen wir uns ihre jeweiligen Talente zunutze und setzen sie zu unserem Vorteil ein. Mit einer Person können wir uns bei Verfolgungsjagden besser davonmachen, ein andermal besitzen wir einen Elektroschocker, mit denen wir unsere Gegner betäuben, ein weiteres Mitglied kann besonders gut schleichen, wiederum eine andere Person beherrscht den Umgang mit Drohnen besonders gut. Wir könnten hier auch noch weitere Fähigkeiten aufzählen, doch das würde den Rahmen sprengen und euch sicherlich auch ein Stück die Überraschung nehmen. Wir formen uns ein Team, das am besten zum eigenen Spielstil passt.

Wer Lust darauf hat, dass sich das eigene Spiel besonders kompromisslos anfühlt, hat die Möglichkeit, den Permadeath-Mode einzuschalten. Charaktere, die das Zeitliche segnen, bleiben dabei auch dauerhaft tot.

Unterm Strich ist uns das Fähigkeiten-System nicht konsequent genug umgesetzt. Aus der Vielzahl an verschiedenen Spielfiguren und Fähigkeiten hätte man Gameplay-technisch mehr herausholen können, sodass wir beim vorherigen Planen einer Mission unser Team taktisch aufeinander abstimmen müssen. Wir hätten die Vorteile des Einzelnen genutzt, um ganz nach Art der „Oceans Eleven“ ein Team aus raffinierten Profis zusammenzustellen. Doch leider funktioniert die Spielweise von Legion deutlich simpler. Jeder Charakter beherrscht alle Fähigkeiten, wie die anderen auch. Nur die Ausprägung ist eine andere. Theoretisch lässt sich das gesamte Spiel auch mit ein und derselben Person durchspielen.

Es ist schade, dass sich Ubisoft hier nicht mehr getraut hat und die Charaktere individueller gestaltet hat, sodass wir immer wieder gezwungen sind, umzudenken und unseren Spielstil anzupassen. Auch insgesamt wirkt das Erlebte eher zu leicht und anspruchslos – Individuelles leveln können, dürfen wir nicht. Vielmehr lassen sich Upgradepunkte einsacken, die überall in London verteilt sind. Mit denen entwickeln wir die Talente aller Charaktere gleichermaßen.

An Mikrotransaktionen wurde dabei auch nicht gespart. Schon jetzt werden wir dazu angehalten, unser Geld in den kommenden Season Pass zu investieren. Des Weiteren hält der Ingame-Shop einmalige Charaktere bereit, die sich mit besonderen Fähigkeiten attraktiv machen, wollen von uns gekauft zu werden.

Dass wir in nahezu jede Person schlüpfen dürfen, die das virtuelle London bewohnt und dass sich diese durch viele unterschiedlich ausgeprägte Fähigkeiten voneinander unterscheiden, klingt zu Beginn wirklich toll, doch im weiteren Spielverlauf fragen wir uns zunehmend, warum Ubisoft das riesige Potenzial, die dieses Feature mitbringt, nicht im Ansatz zu nutzen vermag.

Das Gameplay ist weder taktisch, noch ist es fordernd. Wenn wir etwa ein schwer bewachtes Gebäude infiltrieren, dann sind die Schwachstellen von uns schnell ausgemacht. Die Sicherheitssysteme sind im Nu gehakt, die Gegner sind in Windeseile ausgeschaltete und die Leiter, mit der wir in das Innere des Gebäudes eindringen, wird uns vom Level-Design sprichwörtlich auf die Nase gedrückt. Wir können in Watch Dogs Legion praktisch gar nicht scheitern oder festhängen, da alles so simpel gehalten wurde, damit selbst der unerfahrenste Spieler schnell zu seinem Erfolgserlebnis kommt. Leider bleiben dabei aber auch Spieltiefe und Taktik auf der Strecke.


Grafik & Sound
Die Grenzen sind erreicht

Optisch wird uns die britische Metropole unheimlich hübsch und stimmungsvoll präsentiert. Kaum eine Open-World sieht aktuelle schöner aus. Ein Sightseeing ins virtuelle London ist Watch Dogs Legion allemal wert. Die alternden Konsolen PS4 und Xbox One kommen mit dem Hacking-Abenteuer immer wieder an ihre Grenzen. Immer wieder leiden die aktuellen Konsolen an Framerate-Einbrüchen. Das fällt besonders dann auf, wenn wir das Gaspedal unserer Autos durchdrücken und schneller fahren. Denn dann zeigt sich die Hardware ziemlich überfordert damit, die detaillierte Spielwelt schnell genug zu verarbeiten. Als Folge erhalten wir sehr deutlich spürbare Framerate-Drops, worunter der Spielspaß in regelmäßigen Abständen in Mitleidenschaft gezogen wird. Eine weitere Baustelle ist die unfassbar dumme KI der Bewohner Londons. Selbst von abgesperrte Bereiche, die schwer überwacht werden, laufen die ahnungslosen Bürger einfach so hinein. Den bewaffneten Polizeikräften scheint das ebenso egal zu sein, denn die reagieren ebenso wenig auf die ungebetenen Besucher.

Soundtechnisch gibt es weit weniger zu beanstanden. Der Soundtrack macht eine gute Figur, die Charaktere sind gelungen ins Deutsch vertont und London bietet eine schöne, kraftvolle und überzeugende Soundkulisse.


Fazit
Viel Potenzial, zu wenig Mut

Watch Dogs Legion ist kein wirklich gutes Spiel, es ist aber auch weit davon entfernt, schlecht zu sein. Alles in allem ist das Open-World-Actionspiel das virtuelle Abbild der Mittelmäßigkeit. Ubisoft hat für den dritten Ableger der Hacking-Serie einen sehr stimmungsvollen und überzeugenden Schauplatz gewählt und mit dem Wechseln der Charakter ein Feature ins Spiel gebracht, dass wirklich interessant und großartig funktioniert. Doch das restliche Spiel weiß damit nicht viel anzufangen. Man verschenkt viel Potenzial dabei, London noch immersiver in das Spielerlebnis einzuweben und auch das Gameplay nutzt die Features nicht mal im Ansatz aus. Dafür ist es einfach zu simpel, zu einfach und möchte „auf-Teufel-komm-raus“ allen gefallen und kein Risiko eingehen.

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  • Bestens Vorbereitet: Die Limited Edition enthält das Londoner-Systemkritiker-Paket, inkl. drei neuer Masken, um den Widerstand mit Stil anzuführen
  • Erleben Sie eine bahnbrechende Gameplay-Innovation, in der jeder Charakter den Sie treffen, sich Ihrem Team anschließen kann und über eine eigene Hintergrundgeschichte, Persönlichkeit und besondere Fähigkeiten verfügt
  • Nehmen Sie Ihr Team mit in den Online-Modus und kombinieren Sie Ihre Kräfte mit denen von drei weiteren Freunden. Erkunden Sie gemeinsam die Welt, stellen Sie sich neuen Koop-Einsätzen oder herausfordernden Endspiel-Inhalten