Bild: Prime Matter

TEST: Iron Harvest 1920+ Echtzeitstrategie Made In Germany

Im vergangenen Jahr wurden wir auf der gamescom auf das Echtzeitstrategie-Game Iron Harvest 1920+ aufmerksam, das wir in einer kurzen Anspiel-Session auch gleich in unser Herz geschlossen haben. Entwickelt wurde das Spiel vom Bremer Studio King Art Games, welches dieses Projekt in einer Kickstarterkampagne begann. Innerhalb von nur 30 Tagen konnten die Entwickler über 1,2 Millionen Dollar sammeln und stellten damit auch gleichzeitig einen deutschen Rekord im Crowdfunding auf. Nach nun einem Jahr an Beta´s und weiteren kurzen Entwicklungen, erschien das Spiel am 1. September für den PC. Natürlich haben wir es für euch gespielt – die Versionen für die Konsolen folgen später.

Ersteindruck

fesselnde Kampagne

Iron Harvest 1920+ spielt in einer fiktiven Welt, die sich nach dem Ersten Weltkrieg einordnen lässt und dies auch technologisch zum Ausdruck bringt. Statt mit modernen Tesla-Panzern, wie einst in Command & Conquer, werden unsere Maschinen mit Dieselmotoren angetrieben, die auch mächtige Rauchwolken ausspucken. Angelehnt ist die Idee zu Iron Harvest 1920+ an die Zeichnungen des polnischen Künstlers Jakub Rozalski, der mit seinen Artworks den Hintergrund lieferte.

Wir haben das Spiel über Steam heruntergeladen und mussten dabei nur an die 10 GB durch unsere Leitung laufen lassen. Mit 30 GB auf unserer Festplatte kann auch nicht gemeckert werden. Die technischen Anforderungen an das Spiel dürfen gerne als human bezeichnet werden, denn das Spiel läuft schon mit einem i5 Prozessor, 4 GB RAM und einer Grafikkarte ab GTX 960. Unsere Systemvoraussetzung lagen natürlich deutlich darüber.

Die Musik im Hauptmenü ist einfach passend und kann daher über Stunden genossen werden. Eine Vinyl gibt es übrigens auch.

Iron Harvest 1920+ startet mit einer doch sehr epischen Musik, die uns im Hauptmenü begleitet. Hier können wir unsere Kampagne starten, einzelne Missionen auswählen oder gar einen Mehrspieler-Modus starten. Die Einstellungen in den Optionen verstehen sich da ganz von selbst. Über den Menüpunkt Profil sehen wir unseren Rang und unsere Errungenschaften, auch als erreichte Belohnungen bekannt. Damit wir in der Kampagne nicht einfach sang und klanglos untergehen, bietet uns King Art Games drei verschiedene Schwierigkeitsstufen. Angefangen von dem einfachen Erleben der Story, bis hin zu Blut und Ehre. Da unsere Tage mit RTS-Spielen schon sehr eingestaubt sind, entscheiden wir uns für das „Entdecken und Erkunden“ – später können wir es ja immer noch in einem höheren Schwierigkeitsgrad probieren. Als Szenario kommt, 2 Jahre nach dem Ende des Ersten Weltkriegs, ein neuer Konflikt zum Tragen, der zwischen dem Sächsischen Imperium, der Republik Polania und dem Staat Rusviet ausgetragen wird. In dieser Spielwelt können wir mit riesigen Diesel-Mechs und Infanterie den Gegner die Hölle auf Erden bereiten. Gerade hier punktet Iron Harvest 1920+ schon bei uns, da es halt gar nicht so an die modernen Technologien eines Command & Conquer erinnert, sondern mit ihren schweren Kampfläufern uns vor ganz neue Herausforderungen stellt.


Gameplay

Wir zerstören einfach alles!

Ganz unscheinbar finden wir uns in mitten eines winterlich verschneiten Waldes wieder und damit wir nicht gleich mit der „Fresse“ im Schnee landen, vermittelt uns das Spiel durch ein Tutorial die einzelnen Mechaniken, denn hier steht eher Taktik im Vordergrund, statt den Gegner mit Massen platt zu machen. Das wiederum kommt einem Commandos sehr nahe, oder wie wir früher mit Tanja erleben konnten: „Willst du noch einen Nachschlag Bübchen?“ Aber gerne! In diesem Sinne finden wir uns in einer Schneeballschlacht wieder. Das ist mal was ganz anderes, statt gleich ins offene Messer zu laufen. So lernen wir im Anbeginn gleich einige taktische Möglichkeiten, wie zum Berispiel die Deckungen zu nutzen, sich langsam und leise an den Gegner zu schleichen oder eine unsere Spezialfähigkeiten zu nutzen.

Am Anfang wird mehr mit Schneebällen, statt mit scharfer Munition geschossen.

So schlüpfen wir anfänglich in die Rolle der polianischen Scharfschützin Anna Kos, die gleich einen großen Bären an ihrer Seite zum Angriff und Verteidigung mit sich führt. Diesen haben wir in der Vorgeschichte als kleinen Teddy aufgegabelt, denn der Krieg der einst Millionen forderte, wird durch neues Blut entfacht. Die Rusviet haben sich in die Lande von Polania gewagt und das lassen wir natürlich nicht auf uns hocken – Für unsere Freiheit!

Das Gameplay ist einem RTS-Game sehr typisch und einfach gehalten, kann aber mit einigen wichtigen Spezialfähigkeiten und taktischen Möglichkeiten ein ganz neues Licht in das Genre werfen. Wer in der Vergangenheit Spiele wie Sudden Strike 4 oder gar Command & Conquer gezockt hat, dem wird der Einstieg sehr einfach fallen, während auch Neueinsteiger nicht im Regen stehen gelassen werden und mit kleinen Hinweisen am Bildschirmrand immer die passende Antwort geliefert bekommen. Damit alles nicht ganz so abgedroschen wirkt wie in den alten Tagen, wo RTS-Games ihre Hochkonjunktur feierten, wird unser Gameplay immer wieder mit netten Storyelementen untermalt, die sich auch mitten im Spielgeschehen zeigen.

Damit wir auch nicht wie eine Horde über unsere Gegner herfallen und ihnen zum Teil in die offenen Arme laufen, bietet Iron Harvest 1920+ viele interessante taktische Möglichkeiten. So können wir Ablenkungen organisieren, um den Feind mit einem zweiten Trupp in den Rücken fallen zu können. Diese Taktik wird auch zum Standard und muss verinnerlicht werden, denn die ganz schweren Diesel-Punk-Mechs lassen sich nur so zur Strecke bringen. Genau dieses Gameplay haben wir schon einst in Desperados 3 lieben gelernt, nur dass wir diesmal nicht nur zu viert unterwegs sind und auf eine ganze Armee zurückgreifen können. Hier muss aber angemerkt werden, dass es eine haarige Angelegenheit werden kann, die Mechs mit der reinen Infanterie knacken zu wollen, denn diese verlangen einem sämtliches taktisches Können ab.

Ressourcen und Bauen:

Der Bau der Basis geht mit den Händen der Pioniere vonstatten.

Damit Iron Harvest 1920+ nicht mit der Zeit ein reines strategisches Spiel bleibt, können wir uns im Laufe der Zeit auch eine Basis schaffen, die uns mit eigens geschaffener Infanterie und Diesel-Mechs versorgt. Vom Hauptquartier bis hin zu Kasernen und Werkstätten, schützen wir diese mit Stacheldraht und Sandsäcken. Selbst Außenposten können wir errichten. Damit wir auch immer genügend Ressourcen haben, gilt es Eisenminen und Öltürme einzunehmen oder gar vom Feind zu erobern. Sogar aus altem Schrott und zerstörten Maschinen können wir noch das eine oder andere gewinnen und so wurden hin und wieder auch Vorräte platziert, damit uns nie der Nachschub ausgeht.


Grafik, Sound & Technik

ein wahres Feuerwerk

Wie schon anfänglich erwähnt, kann uns Iron Harvest 1920+ mit seinem Soundtrack in den Bann ziehen, der zu jederzeit das Spiel durch eine wunderbare Art unterstreicht. So zeigt sich dies auch in den einzelnen Missionen, wenn imposante Szenen erfolgen. Hier gilt es anzumerken, dass es sogar eine saubere deutsche Sprachausgabe gibt. Eine Sache, die heute nicht mehr ganz so selbstverständlich ist, da selbst deutsche Entwicklerstudios vermehrt auf die Welt schauen und alles in Englisch dem Gamer entgegenbringen.

In puncto Grafik kann uns das Spiel auf eine wundersame Weise verzaubern, denn hier wurde das Konzept des polnischen Künstlers Jakub Rozalski beibehalten und nicht mit einer eigenen Art verändert oder abgewandelt. Das gibt dem Spiel auch seinen Charakter. Sicherlich ist es kein hochpoliertes Bild, wie es heute mit einem Cyberpunk 2077 möglich ist, das ist aber auch gut so! Dennoch muss sich King Art Games vor niemanden verstecken und beweist, wie man mit eigener Kunst und Kultur ein schönes Spiel schaffen kann. Hier ist nichts nur Kulisse, hier gibt es spektakuläre Explosionen und Gebäude, die dem Erdboden gleich gemacht werden können und sehr viel Liebe zum Detail. Lebendigkeit und Nähe stehen selbst mit den Zwischensequenzen im Vordergrund.

Von technischer Seite gibt es nicht zu meckern: Die Ladezeiten mit einer normalen Festplatte sind sehr gut, es gibt im Spiel weder Ruckler noch unschöne Artefakte oder andere Fehler. Man könnte fast von einem perfekten Spiel sprechen, denn es gab keine Abstürze, Aufhänger oder andere nervende Sachen.


Umfang & Langzeitmotivation

Geschichte dreimal erleben

Mit seiner interessanten Geschichte kann Iron Harvest 1920+ einen gleich dreimal binden, denn auch wenn wir anfänglich die Polania in die Schlacht führen, können wir noch die Armeen von Rusviet mit Olga Romanova und Saxony mit Gunter von Duisburg befehligen. Dabei zieht sich die Kampagne mächtig in die Länge, da hier in den Kämpfen eher Klasse statt Masse gefragt ist. Sicherlich macht das Errichten der Basis Spaß, doch unsere Einheiten sind stark abhängig von den verfügbaren Ressourcen, sodass hier Hundertschaften nicht machbar sind, um den Gegner regelrecht überrollen zu können. Jede Fraktion hat hier seine eigenen Vorzüge, die natürlich von den persönlichen Vorlieben geprägt wird. Obwohl uns die Polania mehr ans Herz gewachsen ist als die anderen beiden Fraktionen, kommen wir im Multiplayer nicht weit mit ihnen, da sie wohl die schwächste Fraktion darstellt. Aber die Sache mit dem Multiplayer ist auch immer so ein Ding, denn gegen unbekannte Spieler ergibt das wenig Sinn – Da ist dann viel mehr Frust statt Spielspaß angesagt.

Interessant bleibt die Kampagne, da mit steigenden Schwierigkeitsgrad auch ganz andere Herausforderungen anstehen. Anfänglich heißt es noch Hau-drauf! Später kommen immer mehr taktische Schachzüge und Verteidigung ins Spiel, die viel von „unentdeckt bleiben“ geprägt sind. Aber genau das prägt Iron Harvest 1920+, dass es immer wieder einen anderen Weg gehen kann.


Fazit

Darauf haben wir Jahre warten müssen

Mit Iron Harvest 1920+ bietet uns King Art Games endlich wieder ein würdiges RTS-Game, in dem wir uns taktisch austoben können. Die Geschichten aller Fraktionen sind schon ein tolles Erlebnis, die wir nicht so schnell vergessen werden und gerade mit der musikalischen Untermalung und der optischen Gestaltung eine Reise wert ist. Die Kämpfe in den Missionen sind sehr herausfordernd und können alte Command & Conquer Gamer schnell in den Wahnsinn treiben, da hier taktische Klasse statt breite Masse einen zum Sieg verhilft. Aber es gibt bei allem auch keinen Stress schneller bauen zu müssen – Zeit ist hier ein Faktor, der unebdingt mitgebracht werden soll. Das macht in dieser schnelllebigen Gaming-Welt aber den Unterschied zu anderen Spielen aus – einfach mal in Ruhe den „Krieg“ ausfechten und sei es mit kuriosen „Kaffemühlen“ und „Kochtöpfen“, die Ballern können. Auch wenn das Gameplay nicht als innovativ bezeichnet werden kann, die Art und der Charakter des Spiels sind es allemal. Für einen Preis von knapp 45 Euro gibt es eine Menge Spiel!

Iron Harvest (PC)
  • Führe Dutzende unterschiedlicher Einheitentypen in die Schlacht, nutze Deckung und mache ganze Gebäude dem Erdboden gleich
  • Spiele eine epische Story über mehrere Kapitel. Dich erwarten über 20 Missionen in drei Kampagnen
  • Befehlige drei unterschiedliche Fraktionen mit insgesamt über 40 Einheitentypen und 9 Helden mit einzigartigen Fähigkeiten

 

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