Mit dem ersten Teil von Ni No Kuni hat Level 5 Studios in Zusammenarbeit mit den Ghibli Studios eines der besten Rollenspiele der vergangenen Konsolengeneration erschaffen. Ob der Nachfolger Ni No Kuni II – Schicksal eines Königreichs an diesen Erfolg anknüpfen kann, erfahrt ihr im Test.
Ersteindruck
Man kennt das ja. In einem Moment ist man noch der Präsident einer großen Nation, dann gibt es plötzlich einen Angriff, eine Explosion und nach dem Aufwachen findet man sich in einer anderen Welt wieder, ist plötzlich wieder jung, gerät mitten in einen Putsch gegen den König dieses wundersamen Reiches und wird von fiesen Mäuserittern gejagt, während man versucht den rechtmäßigen König zu beschützen.
So in etwa präsentieren sich die ersten Minuten des Spiels.
Die ersten Stunden sind durchsetzt von Erklärungen zum Gameplay, kleinen Ergänzungen und Erweiterungen in euren Fähigkeiten und vielen Dialogen und Gesprächen, die euch die Spielwelt und die Charaktere näher bringen. Zwar geschieht das alles im Rahmen der Hauptgeschichte, aber leider kommt genau die in den ersten Stunden nur sehr langsam in Fahrt und fühlt sich etwas schleppend an. Dabei bleibt es aber trotzdem immer interessant genug, um am Ball zu bleiben und weiter zu spielen.
Gameplay
Eine der ganz großen Stärken des Spiels ist das Gameplay. Während der ersten Spielstunden wird euch Stück für Stück näher gebracht, wie ihr dem zukünftigen König dabei helft sein neues Reich zu erschaffen. Denn mit einfachem draufhauen und Gegner plätten ist es lange nicht getan. Hier jedes Detail des Gameplays auseinander zu nehmen, würde allerdings den Ramen dieses Tests komplett sprengen. Daher werde ich es auf ein paar wesentliche Punkte beschränken.
Das Kampfsystem ist im Gegensatz zum Vorgänger nun mehr auf Action ausgelegt und nicht mehr auf rundenbasierte taktische Plänkeleien. Dabei habt ihr die Möglichkeit zwischen 3 Waffen für den Nahkampf, einer Fernkampfwaffe und Fähigkeiten wie z.B. Magie frei zu wählen und den Kampf nach euren Vorstellungen zu führen. Eure Mitstreiter unterstützen euch währenddessen nach besten Kräften. Zusätzlich dazu könnt ihr auf die sogenannten „Gnuffis“ zurückreifen. Das sind kleine Elementargeister, die euch auf Schritt und Tritt begleiten und über verschiedene Fähigkeiten verfügen, die sie im Kampf einsetzen können. Manche davon können dem Gegner mächtig zusetzen und vor allem in Bosskämpfen eine echte Hilfe sein. Andere wiederum dienen nur eurer Unterstützung. Speziell in sogenannten „Wächterkämpfen“ gegen die besonders großen Bosse, sind die Gnuffis ein wichtiger Teil der Bossmechanik.
Außerhalb des Kampfes können einige dieser kleinen Racker auch dabei helfen neue Gebiete zu erreichen. Zum Beispiel indem sie propellerartige Blumen dazu bringen euch in die Luft zu katapultieren um höher gelegene Orte zu erreichen. Insgesamt gibt es im Spiel 100 Gnuffis zu finden, die alle mit unterschiedlichen Fähigkeiten aufwarten können. Bis zu 4 von ihnen könnt ihr gleichzeitig mit in die Schlacht nehmen. Das bietet vor allem im späteren Spielverlauf extrem viele Möglichkeiten die Kämpfe zu gestalten und Abwechslung ins Geschehen zu bringen.
Das Bewegen auf der Oberkarte läuft ähnlich ab, wie bei anderen Genrevertretern. Ihr lauft über die Weltkarte, trefft dabei immer wieder auf Gegner und findet allerlei Sammelkram. Dabei lohnt es sich, auch mal einen Abstecher in Gebiete abseits des Weges zu machen, denn überall sind kleine Gehemnisse versteckt. Manchmal ist es nur eine Truhe oder ein Item, aber an einigen Stellen „verstecken“ sich auch interessante Sachen, wie z.B. spezielle Aufgaben, die mitunter schon etwas schwerer, dafür aber auch lukrativer sein können.
Einen der verschiedenen Spielmodi konnte ich bereits vor einigen Monaten für euch testen, weswegen ich diesen hier nicht weiter erklären werde um es kurz zu halten. Das Video zum besagten Spielmodus findet ihr HIER.
Grafik/Sound/Technik
Optisch ist Ni No Kuni II über jeden Zweifel erhaben. Nicht nur weil der unnachahmliche Stil der Ghibli Studios dem Spiel einen Charme verleiht, den kaum ein anderes Spiel jemals erreicht hat. Die komplette Spielwelt und alles was sich darin befinden hat etwas von einem Märchenbuch und wirkt durch und durch stimmig und wie aus einem Guss.
Der Sound gehört zu den Punkten, in denen Ni No Kuni II seinen Vorgänger noch überbieten kann. Die Musik ist wunderschön und vermittelt ein Feeling, dass perfekt zum Setting, zur Geschichte und zur Spielwelt passt. Manchmal verträumt melancholisch, dann wieder abenteuerlich und im nächsten Moment dramatisch und treibend. Zu jedem Zeitpunkt passt die Musik zum Spielgeschehen und zeigt, wie perfekte musikalisch Untermalung in Spielen funktioniert. Wäre es ein Film, hätten wir hier einen heißen Kandidaten für einen Oscar für die beste Musik.
Auch aus rein technischer Sicht kann man sich vor der Arbeit von Faktor 5 nur verneigen. Zu einer Zeit in der Spiele oft unfertig und wie Baustellen wirken, schaffen sie es ein Spiel zu entwickeln, dass technisch nicht die geringsten Probleme gemacht hat. Es gab keine Bugs oder Glitches, die als solche zu erkennen gewesen wären.
Umfang/Inhalt
Der Umfang von Ni No Kuni II ist genau so, wie ich es mir gewünscht habe. Man kann locker 30, 40 oder noch mehr Spielstunden im Spiel verbringen und findet immer wieder etwas zu tun.
Allerdings muss ich an dieser Stelle auch die einzige wirkliche Kritik am Spiel loswerden. Trotz der wunderschönen und lebendigen Spielwelt und der vielen kleinen Aufgaben und Schauplätze hinkt das Storrytelling etwas. Vor allem in den ersten Stunden hatte ich den Eindruck, dass die eigentlich tolle Geschichte nicht wirklich in Fahrt kommt. Es wirkte sehr langatmig und bot nur wenige echte Highlights. Im späteren Spielverlauf kam mir das nicht mehr ganz so zäh vor, da vor allem die Skill- und Kombinationsmöglichkeiten für etwas mehr Abwechslung im Spielfluss sorgen.
So könnt ihr euch z.B. entscheiden, welche Art von Belohnung euch lieber ist. Wollt ihr lieber mehr EP und Gulden (die Währung im Spiel) von Gegnern erbeuten, oder soll es lieber etwas mehr gute Ausrüstung sein? Oder welcher Art von Gegner wollt ihr am liebsten mehr Schaden zufügen können? Den große kräftigen, oder lieber den kleinen fiesen? Das sind nur 2 Möglichkeiten des umfangreichen Skillsystems. Wer sich tiefgreifender mit dem System und allen weiteren Möglichkeiten z.B. mit den Gnuffis auseinandersetzt, der wird schnell merken, dass es unzählige Variationen und Kombinationen gibt. Hier kann wirklich jeder seine Spielweise völlig frei nach seinen Vorstellungen gestalten.
Ein weiterer Punkt ist die deutsche Übersetzung. Vor allem in Dialogen fällt immer wieder auf, dass die Übersetzung zwar Sinn ergibt, aber eben nicht das wiedergibt, was der Charakter eigentlich sagt. Während die Figur z.B. eine bestimmte Aussage macht, wird diese im Untertitel nur in extrem groben Ansätzen so übersetzt. Der Sinn bleibt zwar teilweise erhalten, die eigentlich Aussage wird aber etwas verfälscht. Das wirkt beim Spielen seltsam und nimmt den Figuren etwas von ihrer Authentizität und Glaubwürdigkeit.
Im Vorstellungsvideo findet ihr eine entsprechende Szene zur Veranschaulichung.
Dazu gesellen sich (zumindest in der deutschen Übersetzung) einige eher erzwungen wirkende Wortkreationen. Zum Beispiel für Örtlichkeiten im Spiel. Aus der Kanalisation wird hier z.B. Katzalisation. Das ergibt im Kontext des Spiels zwar irgendwie Sinn, klingt aber ein wenig als wollte man hier eine gewisse „Niedlichkeit“ erzwingen. Dazu kommt, dass die Kreationen oft etwas deplatziert und übertrieben wirken. Das mag nach Erbsenzählerei klingen, aber da derartige Wortschöpfungen sich überall im Spiel finden lassen, fällt es eben auch immer wieder auf. Womöglich stört es mich aber auch nur, weil sich solche Dinge an eine weitaus jüngere Zielgruppe richten.
Fazit
Wie schon beim Vorgänger, haben wir bei Ni No Kuni II ein Spiel, das Seinesgleichen sucht. Der etwas klassischere Charme gepaart mit moderner Inszenierung macht aus diesem Spiel ein Kunstwerk, wie man es nur selten bekommt. Und trotz der (sehr) kleinen Schönheitsfehler und dem etwas trägen Storytelling kann man dieses Spiel praktisch uneingeschränkt empfehlen. Sowohl Neueinsteiger als auch Kenner des ersten Teils können bei diesem Meisterwerk der Spielekunst nichts falsch machen. Ni No Kuni II – Schicksal eines Königreichs ist der neue König der modernen Rollenspiele.
Getestet wurde Version 1.01 auf der PlayStation 4 Pro.
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