Alle Jahre wieder bringt EA einen neuen Teil der FIFA-Serie raus. Mit FIFA 20 erschien am 27. September nun der diesjährige Ableger. Ob es gelungen ist, die großen Schwächen des Vorgängers auszumerzen und ob VOLTA wirklich so toll ist, wie man es uns weiß machen will, erfahrt ihr in unserem Test.
Ersteindruck
Neue Stärken und alte Schwächen.
Die ersten Eindrück vom Menü und der Präsentation sind durchaus positiv. Alles wirkt modern und zeitgemäß, die Menüführung hat sich auch nicht verändert und die Musik wirkt direkt auf Anhieb passend und geht ins Ohr. Die ersten Matches machen verpassen diesem Positiven Gefühl aber schon die ersten Beulen. Wer den Vorgänger intensiv gespielt hat, wird sich wohl daran erinnern wie seine letzten Eindrücke nach vielen „Verbesserungen“ waren. Von daher war auch bei uns die Hoffnung sehr groß, dass FIFA 20 nicht genau da weiter macht, wo FIFA 19 aufgehört hat. Und das tut es auch nicht. Zumindest nicht so ganz. Das wird schon in den ersten Spielminuten klar. Das vor allem das Gameplay fühlt sich anders an. Mehr Arcade, weniger Simulation. Das verändert das Spielgefühl schon enorm. Ob das nun gut oder schlecht ist, muss jeder für sich selbst entscheiden. Bei uns erzeugt es eher gemischte Gefühle. Das neue Gameplay passt z.B. nahezu perfekt zu VOLTA. Tricks und knackig zackiges Spielen mit Highlights und spektakulären Aktionen am Fließband. Auf dem großen Rasen will es aber nicht so wirklich rund wirken. Vor allem die oft seltsam anmutende Ballphysik sorgt in vielen Situationen für Stirnrunzeln. Im und um den Strafraum kommt es dadurch oft zu leichtem Chaos und zwischendurch liefern die Spieler auch mal die ein oder andere Slapstick-Einlage ab. Es dauert daher eine ganze Weile, sich an die Änderungen zu gewöhnen und sich auf die neuen Gegebenheiten einzustellen, obwohl diese insgesamt gesehen eher klein ausgefallen sind. In ihrer Summe wirken sie sich aber enorm auf das Feeling aus.
Gameplay
Ist das noch KI, oder nur noch K?
Nachdem das Gameplay im Vorgänger im Laufe seiner Zeit immer mehr zu einer mittelschweren Katastrophe gepatcht wurde, war die Hoffnung natürlich groß, dass in FIFA 20 alles besser wird. Auch wenn sich ein bisschen was gebessert hat, von wirklich gutem Simulations-Gameplay ist auch der neueste Ableger der Serie so weit entfernt, wie der FC Schalke von der deutschen Meisterschaft. Dafür fühlt es sich am Ende einfach zu arcadig an. Dadurch ist es zwar einfacher spektakulär und besonders schön zu spielen, aber wer auf realistisches Fußball-Feeling steht, wird das hier nicht im selben Maße finden, wie in eFootball PES 2020.
In VOLTA passt das Gameplay allerdings perfekt. Genau SO stellen wir uns Straßenfußball vor. Für uns DAS Highlight in FIFA 20.
Die Änderungen beschränken sich auf viele Kleinigkeiten. Und die meisten Änderungen sind (nachdem man sich daran gewöhnt hat) auch durchaus gelungen, wenn auch nicht perfekt. So hat man z.B. das völlig verkorkste Pass-Korrektur-System aus dem Vorgänger etwas verbessert. Pässe werden nun nicht mehr so häufig von der KI „kaputt-korrigiert“ und häufiger so gespielt, wie der Spieler es auch will. Hier und da greift das System zwar immer noch etwas seltsam ein, aber so haarsträubend wie in FIFA 19 ist es nicht mehr. Auch die Spielkontrolle fühlt sich etwas besser an. Man hat jetzt mehr selbst in der Hand. Besonders mit individuellen Taktiken, Anweisungen und klugen Wechseln kann man sehr viel mehr Einfluss auf den Spielverlauf nehmen.
Auch die Defensive hat sich verbessert. Man kann und muss jetzt wieder mehr selbst übernehmen. Die KI-Unterstützung hält sich dabei in Grenzen und lässt uns dadurch mehr Kontrolle über das eigene Defensivspiel. Das führt vor allem Anfangs zwar noch zu haarsträubenden Fehlern, aber die muss man sich dann oft selber auf die Fahne schreiben. Die beim Erlernen der neuen Defensive entstehende Lernkurve ist allerdings sehr angenehm und enorm gut für die Motivation. Mit jedem weiteren Match bekommt man die Fähigkeiten mehr und mehr in den Griff und spätestens wenn man einen Christiano Ronaldo oder La Pulga persönlich mal so ordentlich auflaufen lässt, stellt sich ein sehr angenehmes Gefühl von „Macht“ ein.
Im Offensivspiel gibt es auch ein paar Änderungen, die man durchaus als sinnvoll ansehen kann. Flanken sind nun z.B. wieder gefährlicher, was sich allerdings durch die schwerer zu timenden Kopfbälle fast wieder ausgleicht. Flache Flanken werden dadurch fast schon automatisch etwas attraktiver. Hier ist allerdings der Torhüter nun häufiger zur Stelle und vereitelt mit katzenartigen Reflexen selbst die besten Torchancen. Onehin wirken die Keeper im 1 gegen 1 sehr viel stärker als noch bei FIFA 19. An eine Sache werden wir uns aber auch im neuesten Teil der Serie gewönnen müssen: Rebounds!
Wir haben irgendwann aufgehört zu zählen, wie oft wir uns Gegentore eingefangen haben, weil der Torhüter den Ball genau vor die Füße eines Gegenspielers hat abklatschen lassen. Der neueste Patch 1.04 hat das zwar etwas entschärft, aber gefühlt kommt es doch noch viel zu häufig vor. Aber wenigstens knallt man den Ball nicht mehr 7x pro Spiel ans Aluminium.
Das wohl größte Gameplay-Problem ist allerdings der Zufallsfaktor. Extrem viele Aktionen auf dem Platz wirken völlig willkürlich und zufällig. Seltsame Ballannahmen, verspringende Bälle, Spieler die komische Pirouetten drehen anstatt den Ball anzunehmen oder abzuschließen usw. Das fällt besonders in Situationen auf, in denen es sich vor dem Tor mal etwas knubbelt. Die seltsame Ballphysik sorgt besonders hier dafür, dass sich das Spielgarät oft verhält wie eine Flipperkugel auf Speed. Kontrolliertes Rausspielen um einen gezielten Konter einzuleiten ist hier meist kaum möglich. Es sei denn, der Zufall ist in dem Moment auf eurer Seite und der Befreiungsschlag landet zufällig beim gut positionierten Mistpieler außerhalb des Strafraums.
Auch einige Aktionen der KI wirken oft fragwürdig bis unsinnig. So ist es bei einigen Spielen vorgekommen, dass der Gegner nach einem Gegentor seinen Anstoß ausführt und den Ball dann direkt zur eigenen Eckfahne knallt. Das Kuriose: Da stand dann tatsächlich ein Mitspieler. Solche Situationen gab es zu Hauf und lassen die Frage aufkommen, wie viel „I“ hier tatsächlich in „KI“ steckt.
Alles in Allem ist das Gameplay von FIFA 20 (zum jetzigen Zeitpunkt) weder besser noch schlechter als im Vorgänger. Es ist aber definitiv anders. Electronic Arts muss hier noch die ein oder andere Schraube nachziehen, um die Kinderkrankheiten in den Griff zu bekommen. Und davon gibt es einige. Hier kann man nur hoffen, dass man es nicht so versemmelt wie in FIFA 19.
Umfang/Inhalt
Es lebe der Couch-Fussball!
Schon lange vor der Veröffentlichung war klar, dass die „größte“ Neuerung der neue Spielmodus „VOLTA“ sein wird. Und glaubt man der groß angelegten Werbekampagne, ist VOLTA der tollste Modus seit es Modi gibt. Und auch wenn wir Anfangs skeptisch waren, müssen wir nun sagen: GEIL!! VOLTA macht extrem viel Spaß. Die kleinen aber feinen Matches auf Parkplätzen und neon beleuchteten Hausdächern irgendwo in Japan sind toll. Ob nun 3 gegen 3, oder 5 gegen 5 ist egal. Es spielt sich fantastisch, ist spektakulär inszeniert, sieht toll aus und holt aus der keinen runden Pille das absolut Beste heraus.
Auch der neue Kampagnenmodus, in dem es nur um VOLTA geht, macht verdammt viel Laune. Zwar strotzt er nur so vor flachen Dialogen und pseudo-coolen Sprüchen, aber irgendwie hat das was. Es nimmt dem an sonsten so seriös präsentierten Fußball ein wenig die Ernsthaftigkeit und bringt etwas Lockerheit und Schwung rein. Für uns genau Das, was die Serie (neben vernünftigem Gameplay) gebraucht hat. Auch wenn die Spielzeit gerne etwas länger hätte sein dürfen. Zwar kann man nach dem Abschluss der Kampagne mit seinem selbst erstellten Spieler weiter spielen, um ihn z.B. weiter zu verbessern oder weitere Turniere auf der ganzen Welt zu bestreiten, aber eine weiterführende Story gibt es dafür dann nicht.
Auch der Anstoßmodus hat Zuwachs bekommen. Speziell der Hausregeln-Modus wurde um ein paar unterhaltsame Varianten ergänzt. Überraschungsball zum Beispiel. Hier bekommt das Spielgerät immer wieder wechselnde Boosts. Zum Beispiel Geschwindigkeit, wodurch die Spieler der Ballführenden Mannschaft sprinten wie Usain Bolt zu seinen besten Zeiten. Oder auch einen Schuss-Boost, durch den ihr den Ball wie einen Pflasterstein auf’s gegnerische Tor hauen könnt. In „Platzhirsch“ werden auf dem Feld immer wieder Bereiche markiert. Dribbelt ihr ein paar Sekunden in diesen Feldern, lädt sich eine Anzeige biss zu einem Wert von 3 auf. Schießt ihr bei gefüllter Anzeige ein Tor, zählt es bis zu 3 Tore. Dadurch können interessante Spielergebnisse zustande kommen. Das alles kann zwar auch online gespielt werden, aber mit Freunden auf der heimischen Couch liegt der Spaßfaktor noch um einiges höher.
Der Umfang und die Abwechslung sind ohnehin nie ein Problem der Serie gewesen. Egal ob klassische Matches, Modi mit diversen Modifikatoren, Frauen-Teams, Karriere, Online Pro oder auch Champions- und Europa League. Die aus den Vorgängern bereits bekannten Spielmodi sind allesamt wieder vertreten und sorgen für jede Menge Vielfalt und Abwechslung im FIFA-Alltag. Langeweile dürfte hier bei keinem so schnell aufkommen.
FIFA Ultimate Team
Die Sache mit dem Pay 2 win.
Da der FUT-Modus im Spiel einen besonders großen Stellenwert einnimmt, haben wir diesen neben den anderen Inhalten noch einmal separat betrachtet.
FIFA Ultimate Team ist natürlich auch dieses Jahr wieder das große Zugpferd des Spiels. Rein spielerisch unterscheidet der Modus sich nicht wesentlich vom Vorgänger, Inhaltlich gibt es aber ein paar durchaus interessante Ergänzungen. Neue Spielmodi lockern das sonst so seriöse daher kommende Standard-11 gegen 11 etwas auf und bringen neuen Wind und mehr Abwechslung.
Auch die Challanges sind nun etwas interessanter. Es gibt nicht nur tägliche und wöchentliche Aufgaben, sondern auch langfristige, die am Ende dann mit hochwertigen Belohnungen winken. Für die Saison-Challange, die etwa einen Monat läuft, gibt es derzeit z.B. eine Team of the Week-Karte von Wilfried Zaha von Crystal Palace aus der Premiere League als Belohnung. Dafür dass man einfach nur spielt, ist das ganz ordentlich. Und wir können mit ziemlicher Sicherheit davon ausgehen, dass die Belohnungen für solche langfristigen Challanges nicht schlechter werden.
Ein wenig gewöhnungsbedürftig ist die neu gestaltete Teamverwaltung. Spieler können nun über ein Ringemenü verwaltet werden. Hier könnt ihr alle notwendigen Dinge etwas schneller erreichen. Egal ob Schnellverkauf, Fitnessobjekte, oder Verträge. Über das neue Menü kann alles etwas direkter erledigt werden. Das Austauschen einzelner Spieler im aktiven Team finden wir allerdings etwas unglücklich und umständlich. Vor allem, weil die Menüs aktuell noch etwas verzögert reagieren und die Teamverwaltung dadurch nicht nur unpraktisch, sondern auch ein wenig zäh und unrund rüberkommt.
Die ewigen Pay2Win-Vorwürfe wird EA wohl auch dieses Jahr über sich ergehen lassen müssen. Und das absolut zu Recht. Wer Geld für FIFA-Points ausgibt, hat in praktisch allen Belangen einen deutlich spürbaren Teamvorteil. Der Fairness halber muss hier aber auch erwähnt werden, dass ein gutes Team nur die HALBE Miete ist. Das beste und teuerste Team bringt euch nämlich gar nichts, wenn es euch nicht gelingt, die Qualität der Spieler auch auf den virtuellen Rasen zu bringen.
Abschließend wollen wir auch nochmal einen Blick auf die Serverperformance werfen, denn die war im Vorgänger oft ein Problem. Lags, Delays und schwankende Spielgeschwindigkeit waren dabei meist die größten Probleme. Nach den ersten Wochen im Live-Betrieb und der ersten Weekend League kann man nun aber ein erstes Fazit ziehen. Und das fällt eher durchwachsen aus. Auch in FIFA 20 scheint EA es nicht hin zu bekommen, dass alles rund läuft. Abhängig von der Internetverbindung der Spielteilnehmer treten die selben Probleme wie im Vorgänger auf. Schwankende Spielgeschwindigkeit, verzögerte und teilweise komplett „verschluckte“ Eingaben … alles was man von FIFA 19 bereits kennt, tritt wieder auf. Das mag zwar (auch) daran liegen, dass der Ansturm Anfangs noch etwas größer ist, aber das darf keine Entschuldigung für eine so durchwachsene Performance im Onlinespiel sein. Beliebte Spiele wie Fortnite & Co. bekommen es ja immerhin auch hin, dass man selbst zu Hochzeiten sauber und vernünftig spielen kann.
Grafik/Sound/Technik
Alles wie gewohnt hochwertig.
Grafisch hat sich gegenüber dem Vorgänger praktisch kaum was verändert. Es sieht alles etwas bunter und moderner aus, aber die Qualität bleibt praktisch die selbe. Die Spieler sehen ihren Originalen aus der Realität nach wie vor nur ähnlich, Fans im Stadion haben auch in FIFA 20 einige tausend eineiige Zwillinge und auch die Animationen auf dem Platz wirken hier und da etwas steif und unnatürlich. Rein optisch kann man aber unterm Strich zwar vollkommen zufrieden sein, ein Feuerwerk sollte man aber nicht erwarten.
In Sachen Sound bekommen wir das gewohnt hochwertige Paket. Die Stimmung im Stadion ist klasse und die Musik passt wie die Faust aufs Auge. Auch die Kommentatoren wirken passend und lassen keinen Zweifel offen, das EA hier sein Handwerk versteht. Einige Kommentare sind zwar noch etwas unpassend, wie z.B. bei einem Elfmeterpfiff. Egal ob es der erste Strafstoß ist, der gute Wolf redet davon, dass es „schon wieder“ nen Elfmeter gibt und bei einer 6-0-Führung wird auch gerne mal von „knapp“ gesprochen. Solche Fehler halten sich aber in Grenzen. Nur der Klang ist mal wieder etwas seltsam. Einige Kommentare klingen völlig anders als andere. Mal etwas dumpfer, dann wieder etwas klarer und wider andere klingen wie durch ein Dosentelefon.
Technisch gab es hier und da ein paar kleine Probleme. Es kam einige Male vor, dass man im Menü nichts bestätigen konnte. Auch die Verzögerungen in vielen Menüs sind uschön. Speziell im Taktikmenü, im laufenden Spiel ist das Problem deutlich zu spüren. Schnelles Auswechseln und Ändern von taktischen Anweisungen ist dadurch schwierig. Aus rein technischer Sicht gab es sonst nichts gravierendes. Keine Abstürze, Freezes oder Ähnliches.
FAZIT
Die Arcadigste Simulation aller Zeiten?
FIFA 20 ist für Fußball-Ästheten, denen es um möglichst hohen Realismus geht, wohl eher nichts. Dafür ist der Arcade-Anteil im Spiel zu hoch. Wirklich realistisches Feeling kommt kaum auf und immer nur Hacke, Spitze, eins, zwei, drei wird irgendwann auch etwas eintönig. Für Leute die es eher spektakulär und trickreich mögen ist FIFA 20 aber allein schon aufgrund des VOLTA-Modus genau das richtige. Selten hat ein neuer Modus so viel Spaß gemacht und so gut funktioniert. Auch sonst gibt es rein inhaltlich nichts zu meckern. Für jede Menge Abwechslung ist gesorgt und auch Partien gegen Kumpels auf der heimischen Couch machen dank den neuen „Fun-Modi“ wieder richtig viel Spaß. FIFA 20 mag spielerisch keine Offenbarung sein, aber inhaltlich und bei der Präsentation hat EA mehr als gut abgeliefert.
FIFA 20 ist erhältlich für die PlayStation 4, XBox One und den PC. Für die Nintendo SWITCH gibt es die Legacy Edition. Dieser Test basiert auf der PS4-Version.
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